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Graubünden befasst sich mit einem bisher in der Schweiz einmaligen Projekt: Das kantonale Recht wird gründlich entrümpelt. Einiges ist schon geschehen, der Hauptteil erfolgt im Jahr 2000. Die Regierung unterbreitet dem Grossen Rat eine Sammelbotschaft.
Das Projekt "Verwesentlichung und Flexibilisierung der Rechtsetzung und Rechtsanwendung" (VFRR) ist eine Chance für den Kanton Graubünden, seine Rechtsordnung gezielt in Ordnung zu bringen. Überflüssige Regelungen sollen abgebaut und schlecht geratene oder schlecht gewordene Regelungen verbessert werden. Effizienz und Bürgernähe der Staatsverwaltung sollen nachhaltig verbessert werden. Das Projekt VFRR besetzt eine klare Schlüsselrolle im Kontext diverser Reformprojekte, die zurzeit laufen. Es strahlt damit in all diese Bestrebungen aus und erleichtert dadurch auch die Arbeiten am Projekt "GRiforma". Bei diesem geht es um eine wirkungsvollere Verwaltungstätigkeit, die durch neue Führungsstrukturen und eine stärkere Orientierung auf die "Kunden" mehr Bürgernähe und ein grösseres Kostenbewusstsein ermöglichen soll.
Im Herbst 1998 erfolgte eine erste Bereinigung des Bündner Rechts, indem 68 Regierungsverordnungen aufgehoben und deren 92 geändert wurden. Dieser erste "Schub" lag in der Kompetenz der Regierung. Er brachte zwar schon eine beachtliche Entrümpelung und Verbesserung, erfüllt aber die zentralen Ziele des Projekts VFRR noch nicht. Die nächsten Projektschritte sind wesentlich markanter und bestehen darin, den Hebel im Bereich der Gesetze und Grossratsverordnungen anzusetzen. Hier liegt die Kompetenz beim Volk respektive beim Grossen Rat. Die Regierung hat die verschiedenen Revisionsvorhaben zu einer Sammelbotschaft zusammengefasst, die in der Märzsession des Grossen Rats beraten wird.

Luft schaffen

Das Projekt VFRR will die Qualität der staatlichen Regelungen und Tätigkeiten verbessern. Allzu viele, teils unnötige Regelungen können ein flexibles und bedürfnisgerechtes Verwaltungshandeln behindern und die Freiräume für Private erheblich einengen. Aus diesem Grund soll die Regelungsdichte des kantonalen Rechts abgebaut werden. Konkret verfolgt das Projekt VFRR die folgenden Hauptziele:
- Mehr Freiräume für Private schaffen.
- Das Organisations- und Verfahrensrecht auf das unbedingt Notwendige beschränken.
- Handlungs-Spielräume für die Verwaltung erweitern, damit sie wirksamer und effizienter arbeiten kann.
- Eine Gesetzgebung schaffen, die sich rasch an sich ändernde Verhältnisse anpassen kann.
- Die Gemeindeautonomie stärken und dezentrale Lösungen ermöglichen.
- Verfahrensinstrumente einführen, um die Qualität der Rechtsetzung und Rechtsanwendung zu kontrollieren und sicherzustellen.
Es muss etwas geschehen
Ab Frühling 1997 ist der Bündner Paragraphenwald rund ein Jahr lang gründlich durchforstet worden. Etwa 120 kantonale Angestellte haben ihren jeweiligen Bereich kritisch unter die Lupe genommen. Dabei galt es festzustellen, welche kantonalen Erlasse aufgehoben oder geändert werden können. Anhand einer detaillierten Checkliste wurden 643 Gesetze, Grossratsverordnungen und Regierungsverordnungen entsprechend überprüft. Das Resultat der Analyse war eindeutig: Bei 460 oder fast drei Vierteln der untersuchten kantonalen Erlasse bestand Handlungsbedarf. Um Prioritäten zu setzen und die Kapazitäten der Verwaltung nicht zu sprengen, hat die Regierung im Frühling 1998 beschlossen, dass sich das Projekt VFRR auf etwa die Hälfte der änderungsbedürftigen Erlasse konzentrieren soll.

Phase drei läuft
Die Entrümpelungsaktion des Projekts VFRR durchläuft im Wesentlichen die folgenden Phasen und Projektschritte: 1.
Analyse des Handlungsbedarfs (Frühjahr 1998 abgeschlossen). 2.
Entrümpelung auf der Stufe Regierungsverordnungen (Herbst 1998 abgeschlossen). 3.
Entrümpelung auf der Stufe Gesetze und Grossratsverordnungen (Anfang 1999 "eingeläutet"). Im Lauf des Jahres 2000 sollen 4 Gesetze aufgehoben und deren 13 geändert sowie 15 Grossratsverordnungen aufgehoben und deren 10 geändert werden. Die Kompetenz liegt je nach Bereich beim Volk oder beim Grossen Rat. Hinsichtlich wichtiger Gesetze und Verordnungen sind die Vernehmlassungen zu den geplanten Änderungen Mitte 1999 durchgeführt worden. 4.
In der Folge sollen jene Erlasse, bei denen ebenfalls Handlungsbedarf festgestellt worden ist, im ordentlichen Verfahren, also ausserhalb des Projekts VFRR, bearbeitet werden.
Es ist vorgesehen, den Hauptteil des Projekts VFRR im Herbst 2000 abzuschliessen, indem ein Bündel von Gesetzesvorlagen dem Volk zur Abstimmung unterbreitet wird.
Konkrete Beispiele
Was für Auswirkungen kann das VFRR-Projekt konkret zeitigen? Die nachfolgenden Beispiele sind alles andere als abschliessend, sollen aber die Stossrichtung des Projekts skizzieren. Das Umsetzen der möglichen Massnahmen in die Praxis wird erst dann möglich sein, wenn diese nach dem Vernehmlassungs- auch das ordentliche Rechtsetzungsverfahren durchlaufen haben. So müssen Gesetzesänderungen sowohl vom Grossen Rat wie vom Volk angenommen werden.
Alle Massnahmen zielen darauf ab, die Freiräume von Privaten zu vergrössern, die Gemeindeautonomie zu stärken oder Verwaltungsabläufe in organisatorischer und verfahrensmässiger Hinsicht zu vereinfachen. Unter vielen anderen seien an dieser Stelle die folgenden erwähnt:
- Gemeinden können für Eltern drei frei wählbare "Jokertage" pro Jahr einführen, an denen sie ihre Kinder von der Schule nehmen können.
- Nicht nur Schülerinnen und Schüler mit Schulschwierigkeiten, sondern auch solche mit besonderer Begabung können speziell gefördert werden.
- Kinder mit Behinderungen sollen auch in die öffentlichen Schulen integriert werden können.
- Die kantonalen Patente für Bergführer/innen und Schneesport-Lehrer/innen werden ersetzt durch Ausweise der Fachverbände. Diese sind auch für die Ausbildung verantwortlich. Bestimmungen bezüglich Tarife für Touren und Ausbildung werden aufgehoben.
- Das Fischereipatent kann schon im Alter von 14 Jahren (bisher 16) gelöst werden und Jugendliche dürfen mit Erwachsenen mitangeln.
- Die obligatorische Viehversicherung wird aufgehoben.
- Bisher muss in allen Gemeinden über neue Gesetze und Gesetzesänderungen zwingend abgestimmt werden (obligatorisches Referendum). Neu können Gemeinden mit Gemeinderat das fakultative Gesetzesreferendum einführen. Damit müsste nur dann eine Abstimmung stattfinden, wenn eine bestimmte Anzahl Stimmbürger/innen dies verlangt.
- Jede Gemeinde (und nicht nur die grösseren) kann selbst darüber entscheiden, ob sie einen Gemeinderat einführen will oder nicht.
- Die Zusammenarbeit unter den Gemeinden wird erleichtert. Die zur Verfügung stehenden Rechtsformen der interkommunalen Zusammenarbeit werden im Gemeindegesetz übersichtlich dargestellt. Die Gemeinden können neben den heutigen Rechtsformen neu auch die öffentlich-rechtliche Anstalt wählen.
- Gewisse Gemeindeaufgaben können aus der Zentralverwaltung ausgelagert werden. Dazu werden verschiedene Modelle bis hin zur Privatisierung erwähnt.
- In der Kantonsverwaltung werden Abläufe vereinfacht, indem zahlreiche Kompetenzen von der Regierung auf die Departemente oder von den Departementen auf Ämter übertragen werden (z.B. in den Bereichen Volksschule, kantonales Personal, Rodungen etc.).
- Die kantonalen Beschränkungen beim Erwerb von Ferienwohnungen durch Personen im Ausland werden aufgehoben, die Gemeinden können solche aber erlassen.
- Die Strukturen der Katastrophenhilfe werden gestrafft, indem die drei regionalen Führungsstäbe aufgehoben werden. Damit verkürzen sich die Entscheidungswege und die Ausbildung von 70 nebenamtlichen Stabsangehörigen entfällt.

Demokratische Legitimation

Das Projekt VFRR basiert auf dem Regierungsprogramm 1997-2000. Unter dem Titel "Effiziente und bürgernahe Kantonsverwaltung und Staatsorganisation" wird ausgeführt: "Verschiedene Bereiche der Staatstätigkeit in Graubünden leiden unter einer hohen Regelungsdichte, die flexibles und bedürfnisgerechtes Verwaltungshandeln erschwert. Projekte wie New Public Management (GRiforma) erweisen sich nur dann als sinnvoll, wenn gleichzeitig die Regelungsdichte abgebaut wird. Den Willen dazu hat die Regierung bereits mit der Erstattung des Deregulierungsberichts bekundet. Das Abbaupotenzial lässt sich nur mit einer integralen Überprüfung des geltenden Rechts auf Aufhebungs-, Reduktions- und Konzentrationsmöglichkeiten ermitteln. Gleichzeitig mit der Verminderung der Regelungsdichte ist konkret zu klären, wie die verbleibenden Regeln im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten flexibel angewendet werden können". In der Mai-Session 1996 hat der Grosse Rat das Regierungsprogramm zur Kenntnis genommen. Das Projekt VFRR wurde eingehend diskutiert und die entsprechenden Massnahmen sind ausdrücklich unterstützt worden.
Das Projekt VFRR wird geleitet von einer Projektgruppe unter der Federführung der Standeskanzlei. Sie setzt sich zusammen aus Vertretern jedes Departements und wird wissenschaftlich begleitet von Professor Georg Müller (Dozent für Staats- und Verwaltungsrecht und Gesetzgebungs-Lehre an der Uni Zürich).

Neuer Rechtsetzungsstil

Dass sich die Verwaltung mit grundlegenden Fragen zur Bündner Rechtsordnung auseinander setzt, wirkt sich seit dem Start des Projekts VFRR positiv aus. Zum einen werden die Projektgrundsätze auf laufende Rechtsetzungsverfahren angewendet. Verschiedene Erlasse konnten denn auch "verwesentlicht" und in schlanker Form verabschiedet werden. Dies ist auch im Hinblick auf eine mögliche Einführung von New Public Management (GRiforma) wichtig. Zum anderen hat die Verwaltung gezeigt, dass sie bereit und in der Lage ist, notwendige Reformen selber an die Hand zu nehmen. Die positive Einstellung zur Veränderung muss zur Grundhaltung für die Zukunft werden.
Gremium: Regierung
Quelle: dt Standeskanzlei Graubünden
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