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Von Hans Rutishauser, Denkmalpfleger Graubünden
In der Maiensässregion der Gemeinde Dardin auf 1290 Meter über Meer steht die Kapelle Sontga Clau bei einer Gruppe von Stallscheunen, wo Kornhisten an den talseitigen Giebelfassaden an den (bis vor 50 Jahren auch in dieser Höhe üblichen) Getreidebau erinnern.

Zur Geschichte der Kapelle
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts soll ein Bauer beim Pflügen seines Getreideackers eine hölzerne St. Nikolausfigur gefunden haben. Daher wurde die ehemals der Heiligen Dreifaltigkeit geweihte Kapelle in Pugaus dem geborgenen Nikolaus als neuem (oder bereits ursprünglichem) Patron gewidmet.
Die seit einigen Jahren im Pfarrhaus bewahrte Nikolausfigur gehört zu den seltenen Holzfiguren, die sich im Kanton Graubünden aus dem 14. Jahrhundert erhalten haben.
Die gotische Holzplastik zeigt den stehenden Heiligen Nikolaus im Bischofsornat mit Albe, Glockenkasel und Mitra. Die Linke trägt das Evangelium mit den drei Goldkugeln und in der Rechten hält Nikolaus einen übergrossen Bischofsstab, eine spätere barocke Zutat.
Die Bemalung und auch der Kreidegrund stammen wohl aus barocker Zeit, ob sie wegen der Lagerung im Boden oder wegen anderen Schäden erneuert werden musste, bleibt fraglich.
Die Erschliessung der Kapelle durch eine neue Güterfahrstrasse erleichtert heute zwar die Zufahrt, aber sie erhöht auch die Diebstahlgefahr, weshalb sich die Bauherrschaft, die Kirchgemeinde Dardin, entschloss, für die Kapelle eine nachgeschnitzte Kopie der hochgotischen Nikolausfigur herstellen zu lassen. Das Original wird also auch künftig an sicherem Ort verwahrt.
Die kleine, gegen Nordosten gerichtete gemauerte Kapelle mit Steinplattendach zeigt bergseits ein eingezogenes Chörlein. Schiff und Chor sind mit gemauerten Gewölben bedeckt. Die Kapelle wird durch drei Fenster erhellt, je ein fast quadratisches in den Längsmauern und ein Halbrundfenster über dem Portal in der Giebelwand der Talseite. Aussen ist ein Giebelrundfenster zum Dachraum mit einem stuckierten Strahlenkranz eingefasst. Dieser ist verdeckt vom Dachstuhl der nachträglich angefügten offenen Vorhalle aus Holz, die seit der Restaurierung wieder mit Holzschindeln gedeckt ist, was auch für den mit Zwiebelhelm bekrönten Dachreiter gilt, der die Glocke aus dem Jahre 1708 trägt: "SANCTE NICOLAE ET SANCTE ANTONI ORATE PRO NOBIS. (Heiliger Nikolaus und Heiliger Antonius betet für uns). GOSS MICH ANREAS A PORTA VON BREGENTZ MD CC VIII (1708)."
Die Vorhalle schützt einen links des Portals aufgemauerten Altarblock, an dem bei Festmessen die Liturgie für eine grössere Gemeinde gefeiert werden konnte, als die kaum für zwei Dutzend Leute Raum bietende Kapelle.

Die Barockmalerei
Ist die Kapelle Sontg Nikolaus schon von aussen eine reizvolle Anlage, so staunt der Besucher erst recht, wenn er in den Kapellenraum tritt.
Über einem bunten Blumenrankenfries, der rundum das gesamte Schiff und die Seitenwände der Chornische ziert, folgt ein stuckiertes Simsprofil, darüber ist das gesamte Gewölbe fast lückenlos bemalt.
Der Künstler dieser Deckenmalerei hat sich an der Eingangswand über dem Halbrundfenster samt der Jahrzahl 1710 verewigt: "Johannes Jacobus Rieg maller." Darüber ist auch der Auftraggeber dieser Ausmalung festgehalten: "Jo(hann) Benedet Vinzen(s) ha Fatg Fare Questa Cablutta malegau" (Johann Benedikt Vinzens hat diese Kapelle ausmalen lassen).
Während wir heute noch nicht wissen, ob Johann Benedikt Vinzens im Jahre 1710 der Pfarrer oder ein weltlicher Stifter war, ist der Maler Johann Jakob Rieg als Künstler in der Surselva und im Calancatal bekannt. Rieg stammte aus Chur und liess sich im Sumvitg nieder, seine Wandmalerei stammt vor 1698 in Cammuns, 1704 in Platenga, 1705 in Darvella und Miraniga, 1707 in Disentis, Sontga Gada, 1731 in Acletta sowie auch im Beinhaus von Cauco; die Altarbilder von 1696 in Tenniger Bad und 1721 in Obersaxen-Egga sind ebenfalls Werke von Rieg.
Im Scheitel des Chorgewölbes thront Christus auf dem Regenbogen beim Jüngsten Gericht, assistiert von Maria und Johannes sowie Engeln. Am linken Chorgewölbe geleitet ein Engel die Seele eines Sterbenden himmelwärts, dank der Sterbesakramente des am Totenbett stehenden Priesters, geht der Teufel leer aus.
An Chorgewölbe rechts schmachten die nackten Seelen im Fegefeuer, eine davon wird von einem Engel erlöst und emporgezogen.
Das Altarretabel, in der Art des Disentiser Bruders Fridolin Eggert gemalt, zeigt in einem reich gefassten und vergoldeten Rahmen die Muttergottes mit dem Christkind im Himmel, zu ihren Füssen knien die drei Heiligen Nikolaus, Benedikt und Andreas. Das hölzerne Antependium ist ebenfalls von Johann Jakob Rieg bemalt mit einer reichen Henkelvase, in dem ein üppiger Rankenstrauss steckt.
Ein stuckiertes Vierpass-Medaillon am Schiffsgewölbe zeigt die Krönung Mariae. Auf dem Gesimse stehend wird an der rechten Seite des Schiffsgewölbes St. Michael, eine heilige Jungfrau, sowie die Heiligen Margaretha und Helena dargestellt. Auf der linken Gewölbeseite sind Tobias und der Engel, die Anna selbdritt, sowie die Heiligen Barbara und Katharina gemalt. An der Eingangswand sind links der Heilige Martin, rechts der Heilige Georg dargestellt. Nur sehr bruchstückhaft sind dagegen die Heiligen Plazidus, Sigisbert, Ursula, Jakobus und Sebastian unter dem Kranzgesimse erhalten. Die aufsteigende Feuchtigkeit und die damit transportierten Salze haben grosse Fehlstellen und Farbschäden verursacht.
Die sorgfältige und ablesbare Konservierung und Restaurierung durch Restaurator Andreas Franz unter der Leitung seines Bruders, des Architekten ETH Andreas Franz, haben dem Altarretabel und der naiv-fröhlichen Wandmalerei Johann Jakob Riegs wieder jenen Glanz zurückgegeben, der die kleine Kapelle in der Buntheit barocker Volksfrömmigkeit strahlen lässt.
Dafür danken wir der Kirchgemeinde Dardin und dem aktiven Kapellenvogt, Herrn Luregn Carigiet, welche mit Erfolg die beträchtlichen Restaurierungskosten für diese kleine Kapelle zusammengetragen haben.

Gremium: Denkmalpflege Graubünden
Quelle: dt Denkmalpflege Graubünden

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