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DIE REGIERUNG AN DIE EINWOHNERINNEN UND EINWOHNER DES KANTONS GRAUBÜNDEN

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

Die Regierung des Kantons Graubünden bittet alle Menschen in diesem Kanton, den Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag als Tag der Besinnung und des Gebetes zu begehen.

Der Bettag hat in der Schweiz Tradition. Besondere Dringlichkeit erhielt er in Zeiten von Krisen und grosser Not. Darüber hinaus erfüllt er eine wichtige staatspolitische Aufgabe. Er will die Menschen aller Landesteile, Sprachen und Kulturen, aller Religionen und Konfessionen, zusammenführen. Er will die Hochachtung und den Respekt vor den politisch und konfessionell Andersdenkenden fördern und stärken. Einheit in Vielfalt macht unser Land lebenswert und stark. Das ist möglich auf der Grundlage gemeinsamer Werte.

Die Bündner Kantonsverfassung gibt in ihrer Präambel ein Leitprogramm vor. Es heisst dort: «Wir, das Volk des Kantons Graubünden, im Bewusstsein unserer Verantwortung vor Gott sowie gegenüber den Mitmenschen und der Natur, im Bestreben, Freiheit, Frieden und Menschenwürde zu schützen, Demokratie und Rechtsstaat zu gewährleisten, Wohlfahrt und soziale Gerechtigkeit zu fördern und eine gesunde Umwelt für die künftigen Generationen zu erhalten, in der Absicht, die Dreisprachigkeit und kulturelle Vielfalt zu fördern und als Teil des geschichtlichen Erbes zu bewahren, geben uns folgende Verfassung».

Diese Präambel erinnert die Repräsentanten unseres Staates und alle Einwohnerinnen und Einwohner an ihre Verantwortung gegenüber Gott und den Mitmenschen. Die Regierenden sind nicht die Beherrscher, sie sind die Diener des Volkes. Die Einwohner sind nicht Untertanen, sie sind in die Verantwortung eingebunden. Gemeinsame Werte bilden das tragende Fundament unseres Staates. Dankbarkeit, Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, aber auch Bescheidenheit, Grosszügigkeit bis hin zu Details wie der Pünktlichkeit im Alltag sind altbewährte eidgenössische Werte. Unsere Bevölkerung lebt sie. Dafür verdient sie Respekt, Anerkennung und Dank.

Am Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag steht der Dank an Gott und an unsere Mitmenschen an erster Stelle. Danken und denken sind verwandte Wörter. Wir bedenken unser persönliches Leben im Kreis von Familie, Freunden und Bekannten und unser Leben in der Gemeinde, im Staat und in der Gesellschaft. Für vieles haben wir zu danken.

Trotz allem, was Sorgen und Ängste bereitet, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, wie viel Gutes, Schönes und Wertvolles uns geschenkt ist. Oft nehmen wir es als selbstverständlich hin. Wir schätzen zu wenig, wie gut es uns geht. Was in unserem Staat ausgezeichnet funktioniert und wovon wir alle profitieren. Das Danken erinnert uns daran. Es erweitert unser Gesichtsfeld. Wir sehen die Probleme in einem grösseren Zusammenhang. Damit verlieren sie von ihrem Schrecken. Das Danken gibt Mut und Kraft, uns mit Freude für eine gute Zukunft einzusetzen.

Beschenkt sind wir durch unsere Mitmenschen. Ein neugeborenes Kind überlebt dank der sorgenden Liebe seiner Eltern. Für unsere Ausbildung, für die soziale und gesundheitliche Vorsorge, für die Pflege der Kranken und Betagten, für die Sicherheit und etwa für die Krisenintervention braucht es den grösseren Kreis des Staates. Das Zusammenspiel in einer Gemeinschaft wird gern mit dem Bild des menschlichen Körpers verglichen. Er besteht aus vielen Gliedern. Jedes ist unentbehrlich. Jedes erfüllt seine spezielle Aufgabe zum Wohl des Ganzen. Wie in einer Familie, so wirken im Staat alle zusammen. Jeder empfängt und jeder gibt, was in seinen Möglichkeiten liegt.

Hautnah erleben wir das in der Corona-Krise. Der einzelne Mensch steht einer Pandemie ohnmächtig gegenüber. Die Einschränkungen der persönlichen Freiheit und des gesellschaftlichen Lebens sind zum Wohl jener Mitmenschen, für die das Virus gefährlich werden kann. Unsere Gedanken sind heute bei ihnen. Wir wünschen allen Kranken gute Genesung. Schmerzlich, gar existenzbedrohend, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Massnahmen. Sie verlangen grossherzige Solidarität der ganzen Gemeinschaft, aber auch den Lebensmut der Einzelnen. Die Regierung tut ihr mögliches, die negativen Auswirkungen zu begrenzen.

Allen Einwohnerinnen und Einwohnern dankt die Bündner Regierung für ihre Solidarität mit den Mitmenschen, für ihr Verantwortungsbewusstsein und ihr Verständnis in dieser schwierigen Zeit. Sie dankt insbesondere allen Mitarbeitenden in den medizinischen Einrichtungen, die in beeindruckender Selbstlosigkeit ihren Dienst auf hervorragende Weise erfüllen. Sie dankt den Mitarbeitenden in Kanton und Gemeinden, die mit grossem Einsatz tragbare Lösungen finden. Sie dankt allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, Müttern und Vätern, pflegenden Angehörigen, allen, die sich in Non-Profit-Organisationen einsetzen oder sonst einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Als «Helden des Alltags» verdienen sie die Anerkennung und den Dank der ganzen Bevölkerung.

Leider hat das Corona-Virus auch in unserem Kanton Todesopfer gefordert. In Ehrfurcht neigen wir uns vor den Verstorbenen und halten sie in dankbarer Erinnerung. Ihren Angehörigen spricht die Bündner Regierung das herzliche Beileid aus.

Das Corona-Virus verändert unser Leben grundlegend. Noch kennt niemand die weltweiten Auswirkungen. Viele von Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sorgen sich um ihre persönliche und unsere gemeinsame Zukunft. Das Sorgenbarometer der Schweizer nannte zuvorderst die Altersvorsorge, die steigenden Krankenkassenprämien, das Thema Ausländer und den Umweltschutz. Über Nacht hat das Virus die Situation radikal verändert. Es geht nicht mehr um einzelne Bereiche. Es geht ums Ganze. Grundsätzliche Fragen stellen sich. Was ist wichtig in unserem Leben? Was ist nebensächlich? Was ist der Sinn unseres Lebens? Sind wir willens, die Gestaltung einer guten Zukunft bewusst und zielstrebig anzugehen? Der Bettag ruft uns zur Busse auf. Busse ist Umkehr. Das kann heissen, seinen Lebensstil zu hinterfragen und sein Handeln zu korrigieren.

Die Lage ist global, national und regional betrachtet herausfordernd. Diszipliniert, hartnäckig und zielgerichtet müssen wir an echten, mehrheitsfähigen und für alle Menschen gerechten Lösungen arbeiten. In einer Demokratie hat jeder seinen Beitrag zu leisten. Wir tun gut daran, unsere Meinung zu äussern und jene, die sich aktiv engagieren, zu unterstützen. Damit stärken wir unser demokratisches System. Abstinenz der grossen Mehrheit dient nur jenen, die Eigeninteressen verfolgen.

Krisen sind Chancen. Sie geben Denkanstösse für Verbesserungen und positive Entwicklungen. Sie veranlassen uns zum Handeln. Mit geistiger Offenheit, Uneigennützigkeit und grossem Weitblick wollen wir unsere Zukunft angehen. Wir Bündnerinnen und Bündner haben schon manche Krisen und Naturkatastrophen überwunden und daraus Innovation geschöpft. Das gibt Hoffnung.

Gleichzeitig erfahren wir: Für uns Menschen ist nicht alles machbar. Vielem stehen wir hilflos gegenüber. Der eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag lädt uns zum Beten ein. Beten ist Dank an Gott, den Geber aller guten Gaben. Beten ist Bitte an Gott um seinen Beistand. Wir laden sie alle ein, Gott inständig um seinen Segen für unseren Staat und seine Bürgerinnen und Bürger zu bitten.


Chur, im September 2020


Namens der Regierung
Der Präsident: Dr. Christian Rathgeb
Der Kanzleidirektor: Daniel Spadin


Beilage:
Bettagsmandat 2020

 

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