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Session: 08.12.2009
Der Kanton Graubünden hält bei verschiedenen Kraftwerksgesellschaften Beteiligungen in unterschiedlicher Höhe. Die 46%-Beteiligung bei der Rätia Energie (RE), die gemäss Staatsrechnung per 31.12.2008 einem Wert von rund 493 Mio. entspricht, ist im Verwaltungsvermögen mit gut 67 Mio eingestellt. Wie der Vergleich mit anderen Kraftswerksbeteiligungen (z.B. Kraftwerke Hinterrhein AG) zeigt, bestehen wesentliche prozentuale Unterschiede im Verhältnis zwischen den jeweiligen Bewertungen der Aktienpakete und dem im Verwaltungsvermögen für diese eingestellten Werte.

Bzgl. der RE-Beteiligung stellt sich grundsätzlich die Frage, in wie weit die Führung im Verwaltungsvermögen gemäss Artikel 10 des kantonalen Finanzhaushaltsgesetzes noch korrekt ist. Die Voraussetzung dazu war bei der Gründung und Entwicklung der Rätia Energie AG (RE) durchaus gegeben und die Beteiligung im entsprechenden Ausmass plausibel. Die verschiedenen Veränderungen der letzten Jahre scheinen dies aber zunehmend in Frage zu stellen. Neben der Tatsache, dass sich die RE in den letzten Jahren zu einem international ausgerichteten Unternehmen mit Schwerpunkt Stromhandel entwickelt hat, gilt es auch zu berücksichtigen, dass sich mit der beschlossenen Liberalisierung des Strommarktes und auch der kantonalen Gesetzgebung im Bereich der Elektrizitätsversorgung, die Rahmenbedingungen wesentlich verändert haben.

Die Stellungnahmen der Regierung im Rahmen der RE-Debatten im Grossen Rat haben zudem gezeigt, dass trotz der 46%-Beteiligung des Kantons, offensichtlich auf eine Einflussnahme bei der RE bzgl. der strategischen Ausrichtung des Unternehmens und zu Gunsten der Interessen der öffentlichen Hand verzichtet wird. Diese Haltung der Regierung wurde auch in weiteren Stellungnahmen gegenüber den Medien verdeutlicht.

Die Voraussetzungen zur Führung als Verwaltungsvermögen gemäss Gesetz über den Finanzhaushalt und die Finanzaufsicht insbesondere Art. 10 Abs. 3 scheinen somit aus oben erwähnten Erwägungen nicht mehr gegeben. Zitat Gesetz über den Finanzhaushalt und Finanzaufsicht Art. 10 Abs. 3:
„Das Verwaltungsvermögen umfasst jene Vermögenswerte, die unmittelbar und auf längere Zeit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. Es besteht insbesondere aus Sachanlagen, Investitionsbeiträgen sowie Darlehen und Beteiligungen, wenn damit eine Einflussnahme im kantonalen Interesse beabsichtigt ist“.

Wir bitten die Regierung um Beantwortung folgender Fragen:

1. Welche Kriterien werden für die Festlegung des Buchwertes bzw. Wertes des Verwaltungsvermögens der jeweiligen Kraftwerksbeteiligung des Kantons angewandt?

2. Wie erklären sich die grossen prozentualen Abweichungen im Verhältnis zwischen den Aktienbewertungen der verschiedenen Beteiligungen und der jeweiligen Einstellung im Verwaltungsvermögen?

3. Wie beurteilt die Regierung Stand und Entwicklung rund um die Rätia-Energie bezüglich Führung als Verwaltungsvermögen und Einhaltung von Artikel 10 des Finanzhaushaltsgesetzes?

4. Prüft die Regierung eine Überführung der Rätia-Beteiligung vom Verwaltungs- ins Finanzvermögen?

5. Gedenkt die Regierung aufgrund der veränderten Voraussetzungen und im Sinne eines modernen „corporate governance“ zukünftig auf die Einsitznahme im Verwaltungsrat der Rätia Energie zu verzichten?

Chur, 8. Dezember 2009

Pfenninger, Thöny, Arquint, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Menge, Meyer Persili (Chur), Peyer, Pfiffner-Bearth, Trepp, Brasser

Antwort der Regierung

1. Das Verwaltungsvermögen des Kantons wird höchstens zu seinem Beschaffungs- oder Herstellungswert unter Abzug angemessener Abschreibungen bilanziert (Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes über den Finanzhaushalt und die Finanzaufsicht des Kantons Graubünden; FFG). Bei der Rätia Energie AG (RE; bis Frühjahr 2000 Kraftwerke Brusio AG) entspricht der aktuelle Buchwert den diversen Aktienkäufen zum jeweiligen Kaufpreis, zuzüglich der Sacheinlage der Aktien RE Klosters AG. Im Jahr 2000 wurde zudem eine ordentliche Abschreibung von 7‘961‘380 Franken auf dem RE-Bestand vorgenommen und in den Jahren 2001 bis 2003 erfolgten Nennwertrückzahlungen von insgesamt 8‘732‘550 Franken, die den Buchwert entsprechend reduziert haben. Beim in der Anfrage erwähnten Beispiel der Kraftwerke Hinterrhein AG (KHR) entspricht der aktuelle Buchwert dem seinerzeit einbezahlten Nominalwert des Aktienkapitals und damit auch dem Beschaffungswert.

2. Die Abweichungen zwischen den effektiven Marktwerten der Aktien und dem Buchwert gemäss Verwaltungsvermögen ergeben sich einerseits aus den vorstehend erwähnten Bewertungskriterien und der „Entstehungsgeschichte“ der jeweiligen Beteiligung und andererseits aus den unterschiedlichen Unternehmensentwicklungen. Für die Bewertung von börsenkotierten Aktien wird der Börsenkurs am Bilanzstichtag herangezogen. Die nicht börsenkotierten Kraftwerkgesellschaften werden wegen des fehlenden Marktwerts auch heute noch zum Anteil des Kantons am ausgewiesenen Eigenkapital bewertet.

3. Die Zuweisung von Vermögenswerten des Kantons zum Finanz- und Verwaltungsvermögen richtet sich nach Art. 10 Abs. 3 FFG. Alle Beteiligungen an den Kraftwerksgesellschaften sind aktuell Bestandteil des Verwaltungsvermögens. Die RE ist erst seit 1. Januar 1999 im Verwaltungsvermögen bilanziert. Die Zuordnung erfolgte anlässlich der damaligen Revision des Finanzhaushaltsgesetzes (FHG). Die Beteiligungen an den Partnerwerken wurden im Zuge einer FHG-Revision per 1. Januar 2005 ebenfalls dem Verwaltungsvermögen zugeteilt. Mit der Strommarktliberalisierung per 1. Januar 2008 und dem Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes des Kantons Graubünden auf den 1. Januar 2009 haben sich die gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen wesentlich geändert, was eine Überprüfung der Zuordnung der kantonalen Kraftwerksbeteiligungen rechtfertigt.

4. Die Regierung beabsichtigt, die finanzrechtliche Zuordnung der Kraftwerksbeteiligungen in Bezug auf die Zuweisung zum Finanz- oder Verwaltungsvermögen im Hinblick auf den Jahresabschluss 2010 zu überprüfen.

Im Zuge der HRM2-Einführung bzw. der damit einhergehenden FFG-Revision wird zudem das gesamte Beteiligungsportfolio des Kantons einer umfassenden Überprüfung bezüglich Bilanzierung und Zuteilung zum Finanz- oder Verwaltungsvermögen unterzogen werden. Die Einführung von HRM2 bzw. die Inkraftsetzung des revidierten FFG ist auf das Jahr 2012 geplant.

5. Die Frage der Einsitznahme in strategischen Gremien von Institutionen ist Bestandteil des Kommissionsauftrags GPK betreffend Bericht über Strategie, Einsitz- und Einflussnahme sowie Berichts- und Kontrollwesen bei Beteiligungen des Kantons, selbständigen Institutionen und weiteren Organisationen mit „öffentlichen“ Aufgaben vom 5. Dezember 2005. Die Regierung will diese Frage generell prüfen und sie wird sich dazu in ihrem „Corporate-Governance-Bericht“ an den Grossen Rat äussern. Der Behandlung des Berichts ist in der Oktobersession 2010 geplant.

1. März 2010