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Session: 16.06.2021

In den vergangenen Jahren sorgte der Steuerstreit des mittlerweile in Dubai wohnhaften Investors Remo Stoffel mit dem Kanton Graubünden immer wieder für Schlagzeilen (siehe u.a.: «Wirtschaftskriminalität: Bedingte Freiheitsstrafe für den Unternehmer Remo Stoffel», NZZ, 28.07.2020. Online: https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-bedingte-freiheitsstrafe-fuer-unternehmer-remo-stoffel-ld.1568605?reduced=true). Das Bundesgericht beschäftigte sich in mehreren Urteilen mit der Angelegenheit. Im Urteil 2C_523/2020 vom 4. November 2020 nimmt sich das Bundesgericht unter anderem der Frage nach der – infolge dem Wegzug des erwähnten Investors nach Dubai – von der Steuerverwaltung Graubündens erlassenen Sicherstellungsverfügung an. Der sicherzustellende Betrag belief sich auf CHF 50 Mio. Ein Strafverfahren der Eidgenössischen Steuerverwaltung aufgrund des Verdachts der Steuerhinterziehung bildete die Grundlage der genannten Sicherstellungsverfügung. Im Urteil heisst es dazu:

«In diesem Zusammenhang schlossen der Steuerpflichtige, die Eidgenössische Steuerverwaltung, die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden, die Steuerverwaltung der Gemeinde U.__/GR und das Steueramt des Kantons Zürich als Gläubigerinnen sowie Rechtsanwalt Dr. B.__ als Aufbewahrer am 27./28. März 2013 einen Sicherungshinterlegungsvertrag (nachfolgend: Hinterlegungsvertrag).»

In der Vergangenheit sorgte die Bonität beziehungsweise der genaue Wert der Aktiven von Remo Stoffel immer wieder für öffentliche Diskussionen. Zudem geht aus einem Bericht der Handelszeitung («Stoffel, die Steuerbehörden und ganz viele Akten», Handelszeitung, 10.11.2016. Online: https://www.handelszeitung.ch/unternehmen/stoffel-die-steuerbehoerden-und-ganz-viele-akten-1261033) hervor, dass der «Aufbewahrer» der gemäss Sicherstellungsverfügung hinterlegten Aktiven Rechtsanwalt Dr. iur. und Ständerat Martin Schmid ist. Aufgrund diverser Medienberichte (siehe u.a.: «Ständerat Martin Schmid muss bei einer möglichen Bundesratskandidatur Vergangenes bereden», NZZaS, 29.09.2018. Online: https://nzzas.nzz.ch/schweiz/staenderat-martin-schmid-muss-bei-einer-moeglichen-bundesratskandidatur-vergangenes-bereden-ld.1424349?reduced=true) ist öffentlich bekannt, dass Ständerat Martin Schmid und Investor Remo Stoffel persönlich bekannt und wirtschaftlich vernetzt sind. Vor diesem Hintergrund bitten die Unterzeichnenden die Regierung, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Wie hoch sind die offenen Forderungen des Kantons gegenüber dem Investor Remo Stoffel insgesamt? Und wo sind diese Forderungen in der Jahresrechnung bilanziert?
  2. Der Kanton hat diverse Aktien von Herrn Stoffels Firmenkonstrukt eingezogen beziehungsweise sichergestellt (u. a. Priora AG). Wie hoch bewertet der Kanton die eingezogenen Aktien?
  3. Wie ist der Kanton Graubünden abgesichert, sollte sich herausstellen, dass die Aktien deutlich weniger Wert haben als angenommen?
  4. Welche Rolle kommt Ständerat und alt Regierungsrat Martin Schmid im Zusammenhang mit den Sicherungsverträgen und der Bewertung von Remo Stoffels eingezogenen Aktiven zu?
  5. Ständeräte vertreten gemäss Bundesverfassung die Interessen des Kantons. Wie hat der Kanton Graubünden sichergestellt, dass Ständerat Martin Schmid mit Blick auf seine persönliche Bekanntschaft mit Herrn Remo Stoffel die Kantonsinteressen in diesem Fall effektiv vertritt und so seinem Verfassungsauftrag als Ständerat nachkommt?

Davos, 16. Juni 2021

Horrer, Müller (Felsberg), Perl, Atanes, Baselgia-Brunner, Cantieni, Caviezel (Chur), Gartmann-Albin, Preisig, Rettich, Rutishauser, von Ballmoos, Wilhelm, Spadarotto, Stieger, Tomaschett (Chur)

Antwort der Regierung

Der Kanton Graubünden kennt ein striktes Steuergeheimnis (Art. 122 des Steuergesetzes für den Kanton Graubünden [StG; BR 720.000]). Hinzu kommt, dass das Gesetz über das Öffentlichkeitsprinzip (BR 171.000) gemäss der ausdrücklichen Regelung in Art. 122 Abs. 4 StG in Steuersachen keine Anwendung findet. Fragen zu konkreten Steuerpflichtigen können deshalb nicht beantwortet werden.

Zu Frage 1: Zur Höhe von offenen Steuerforderungen kann aufgrund des Steuergeheimnisses nicht Stellung genommen werden. Die Bilanzierung dieser Forderungen (Einkommens- und Vermögenssteuern) erfolgte in der Jahresrechnung 2020. Überdies wurde eine Delkredere-Bildung vorgenommen (Sammelposten), weil der Zeitpunkt der Bezahlung offen ist.

Zu Frage 2: Diverse Aktien wurden sichergestellt. Wie hoch der Kanton diese Aktien bewertet, kann aufgrund des Steuergeheimnisses nicht kommuniziert werden.

Zu Frage 3: Der Kanton hat von sämtlichen Instrumenten, die ihm zur Verfügung stehen, Gebrauch gemacht, um zu den geschuldeten Steuergeldern zu gelangen und wird dies auch in Zukunft tun.

Zu Frage 4: Im März 2013 schlossen die Eidgenössische Steuerverwaltung, die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden, die Steuerverwaltung der Stadt Chur und das Steueramt des Kantons Zürich als Gläubigerinnen sowie Remo Stoffel als Steuerpflichtiger/Hinterleger und Ständerat Schmid als Aufbewahrer einen Sicherungshinterlegungsvertrag ab. Dieser Vertrag regelt die Aufbewahrung der Aktien dreier – von Remo Stoffel beherrschter – Gesellschaften. Die Parteien hielten weiter fest, dass der Vertrag ein Pfandrecht der Gläubigerinnen an den hinterlegten Aktien begründe. In Ergänzung dazu unterzeichneten zwei dieser Gesellschaften als Hinterleger, die Eidgenössische Steuerverwaltung, das Steueramt des Kantons Zürich und die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden als Gläubigerinnen sowie Ständerat Schmid als «Escrow Agent» einen Escrow-Vertrag. Wie im Sicherungshinterlegungsvertrag geht es dabei lediglich um die Hinterlegung der Aktien dieser zwei Gesellschaften beim Aufbewahrer Ständerat Schmid.

Die Bewertung der hinterlegten Aktien erfolgt durch die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden ohne jegliches Zutun von Ständerat Schmid.

Gegenüber der Steuerverwaltung des Kantons Graubünden und vor verschiedenen Rechtsmittelinstanzen ist nicht Ständerat Schmid, sondern sind fünf ausserkantonale Steuervertreter von Remo Stoffel aufgetreten.

Zu Frage 5: Ständerat Schmid ist gemäss obgenanntem Sicherungshinterlegungsvertrag Aufbewahrer der Aktien dreier von Remo Stoffel beherrschter Aktiengesellschaften (vgl. Antwort auf Frage 4). In dieser Funktion tritt er nicht gegen den Kanton Graubünden auf. Vielmehr ist er dafür besorgt, die Aktien zur Sicherstellung der Steuerforderungen im Interesse der Eidgenössischen Steuerverwaltung sowie der Steuerverwaltungen der Kantone Zürich und Graubünden sowie der Stadt Chur aufzubewahren.

1. September 2021