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Session: 20.10.2021

Der Kanton Graubünden (Amt für Berufsbildung) betreibt an der Quaderstrasse in Chur ein Lehratelier für Bekleidungsgestaltung (früher Damenschneiderin). Die Lernenden dieses Lehrateliers besuchen die Gewerbeschule in Zürich.

In den vergangenen Jahren hat sich dieses Atelier sehr bewährt. Weiter bietet der Kanton mit diesem Lehratelier die Möglichkeit, den Beruf der Bekleidungsgestaltung in unserem Kanton zu erlernen.

Leider hat nun der Kanton beschlossen, dieses Atelier auslaufen zu lassen und in drei Jahren ersatzlos zu streichen. Die betroffenen Personen wurden im Juni 2021 darüber informiert.

Bei einer Streichung verschwindet in unserem Kanton das Berufsbild der Bekleidungsgestaltung.

Aus diesem Grunde richten die Unterzeichnenden folgende Fragen an die Regierung:

  1. Ist es richtig, dass das Bekleidungsatelier ersatzlos auf den Sommer gestrichen wird und somit auslaufen soll? Wer hat diesen Entscheid gefällt? Wo ist er ersichtlich und wem wurde er kommuniziert?
  2. Falls ja, mit welcher Begründung? Gibt es eine Alternative für Lernende, welche ab dem Sommer 2024 diesen Beruf erlernen möchten?
  3. Wurde das Gespräch vorher mit den Beteiligten gesucht? Wurden verschiedene Varianten alternativ zur Schliessung geprüft und, falls ja, welche Varianten wurden geprüft und weshalb nicht weiterverfolgt?
  4. Wie viele Lernende (Frauen/Männer) absolvierten in den vergangenen zehn Jahren ihre Lehre im kantonalen Bekleidungsatelier?

Chur, 20. Oktober 2021

Gartmann-Albin, Tomaschett (Chur), Widmer (Felsberg), Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp, Cantieni, Caviezel (Chur), Degiacomi, Della Cà, Hartmann-Conrad, Hofmann, Horrer, Jochum, Kohler, Maissen, Märchy-Caduff, Michael (Castasegna), Müller (Felsberg), Noi-Togni, Perl, Preisig, Rutishauser, Wellig, Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, Bürgi-Büchel, Costa, Pajic, Stieger

Antwort der Regierung

Das Lehratelier Bekleidungsgestaltung (LAB) gehörte ursprünglich zur Bündner Frauenschule Chur (BFS). Mit Inkrafttreten des Gesetzes über Ausbildungsstätten im Gesundheits- und Sozialwesen (AGSG; BR 432.000) wurden die Berufsschule für Gesundheits- und Krankenpflege (BSG&K), die Interkonfessionelle Bündnerische Schule für Gesundheits- und Krankenpflege (IKS), die Bündner Schule für Pflege im psychosozialen Bereich (BSP) und nicht-seminaristische Abteilungen der BFS in das heutige Bildungszentrum Gesundheit und Soziales Chur (BGS) überführt. Auf die Integration der Lehrwerkstätte für Damenschneiderinnen, welche damals zur BFS gehörte, wurde verzichtet. Dies aufgrund von Kritik im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens, da das Ausbildungsangebot weder dem Gesundheits- noch dem Sozialwesen zugeordnet wurde. Der Antrag der Kommission und der Regierung in der Botschaft betreffend Gesetz über Ausbildungsstätten im Gesundheits- und Sozialwesen (AGSG) (Heft Nr. 2/2002–2003), die Lehrwerkstätte für Damenschneiderinnen dem Amt für Berufsbildung (AFB) zuzuordnen, wurde vom Grossen Rat angenommen.

Zu Frage 1: Mit Regierungsbeschluss (RB) vom 22. Juni 2021 (Prot. Nr. 595/2021) wurde festgelegt, dass das kantonale Angebot "Lehratelier für Bekleidungsgestaltung" per 31. August 2024 aufgehoben wird. Gleichentags am Abend wurden die direkt betroffenen Mitarbeitenden des LAB und tags darauf die Lernenden des LAB mündlich durch das AFB informiert. Später erfolgte die Mitteilung des Beschlusses an sämtliche Mitarbeitende des AFB. Das Personalamt wurde in die Vorbereitungsarbeiten einbezogen und anschliessend mittels RB über den Entscheid in Kenntnis gesetzt. Der Bündner Gewerbeverband (KGV), die Gewerbliche Berufsschule Chur (GBC) sowie die ibW Höhere Fachschule Südostschweiz (ibW) wurden ebenfalls über den Entscheid informiert (s. Antwort zu Frage 3). Zudem erhielten auch die Berufsschule Mode und Gestaltung Zürich, die Leitung der überbetrieblichen Kurse und die Interessengemeinschaft Berufsbildung Bekleidungsgestalter/in (IBBG) eine entsprechende Mitteilung. Des Weiteren wurden die langjährigen Kundinnen und Kunden über die Schliessung informiert. Auf weitere Anfragen hat das zuständige Amt jeweils die entsprechende Information erteilt. Eine entsprechende Mitteilung findet sich zudem auf der Webseite des AFB. Die Lehrstellenpublikation für Lehrbeginn 2022 wurde umgehend angepasst.

Zu Frage 2: Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das LAB seinen Bildungsauftrag wegen Entwicklungen der Demografie und des Konsumverhaltens kaum noch erfüllen kann, dass die ausgebildeten Personen auf dem Markt nicht gefragt sind, dass die Ausbildung von Bekleidungsgestalterinnen und Bekleidungsgestaltern vom Kanton bei Bedarf ausserkantonal mit deutlich geringeren finanziellen Mitteln unterstützt werden könnte und da der Bedarf zur Weiterführung der Lehrwerkstätte nachweislich nicht mehr gegeben ist (Art. 21 Abs. 2 des Gesetzes über die Berufsbildung und weiterführende Bildungsangebote, BwBG; BR 430.000) kam die Regierung zum Schluss, das Angebot aufzuheben. Damit wurde zudem der verfassungsmässige Auftrag, wonach gemäss Art. 78 der Verfassung des Kantons Graubünden (Kantonsverfassung, KV; BR 110.100) die Aufgaben periodisch auf ihre Notwendigkeit, Wirksamkeit und Finanzierbarkeit zu prüfen sind, wahrgenommen. Interessierte Jugendliche können die berufliche Grundbildung als Bekleidungsgestalter/in EFZ ausserkantonal in einem anderen Lehratelier (Zürich, St. Gallen etc.) oder einem Lehrbetrieb absolvieren.

Zu Frage 3: In einem ersten Schritt wurde der KGV konsultiert. Weiter wurde die Übernahme und Fortführung des Angebots mit der ibW und der GBC besprochen. Aufgrund ihrer Analysen mussten jedoch beide Institutionen feststellen, dass das Potenzial des Berufs Bekleidungsgestalter/in EFZ in der heutigen Ausrichtung sehr gering ist, kaum Raum für eine Berufsausübung im Kanton mehr bietet und kostenintensiv ist. Für die ibW als Tertiärschule wäre eine organisatorische Führung dieses Angebotes nur in Zusammenarbeit mit einer Schule auf der Sekundarstufe II oder einer entsprechenden Organisation der Arbeitswelt (OdA) möglich gewesen. Diese Faktoren liessen das Betreiben eines entsprechenden Ateliers als sehr schwierig erscheinen und eine Übernahme, respektive Fortführung konnte nicht in Betracht gezogen werden. Nach der Bekanntgabe der Aufhebung des LAB fand am 1. Oktober 2021 ein Gespräch zwischen dem Amtsleiter des AFB und dem CEO des BrockiGrischun betreffend die mögliche Übernahme des LAB statt. Nach Offenlegung und Ausführung der Gründe bezüglich der Schliessung des LAB erkannte der Verein BrockiGrischun ebenfalls keinen Grund respektive keinen ausgewiesenen Bedarf, um das LAB zu übernehmen.

Zu Frage 4: Insgesamt haben in den letzten zehn Jahren 28 Lernende ihre berufliche Grundbildung im LAB absolviert und abgeschlossen; davon 26 Frauen und 2 Männer.

1. Dezember 2021