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Ab wann bin ich überhaupt ein betreuender und pflegender Angehöriger? Was genau ist eine pflegebedürftige Person? Der folgende Abschnitt schafft Klarheit und zeigt die Vielseitigkeit des Themas auf. Ausserdem beleuchtet er die Vor- und Nachteile, die es zu beachten gilt, wenn man Betreuungsaufgaben übernimmt.

Ab wann spricht man von betreuenden und pflegenden Angehörigen?

Betreuende und pflegende Angehörige können Personen aus der Familie eines pflegebedürftigen Menschen sein, aber auch Freunde, Bekannte und Nachbarn. Es muss nicht zwingend eine Verwandtschaft zur pflegebedürftigen Person bestehen. Relevant wird der Verwandtschaftsgrad zu pflegenden Person nur dann, wenn es um den Anspruch auf Betreuungsgutschriften oder Betreuungsurlaub geht. Als Verwandte gelten in diesem Zusammenhang Eltern, Kinder, Geschwister und Grosseltern, sowie Ehegatten, Schwiegereltern und Stiefkinder.

Die Angehörigen übernehmen in der Regel die Funktion der "Pflegeleitung" zu Hause. Neben den eigenen betreuerischen und pflegerischen Tätigkeiten koordinieren und organisieren sie die professionelle Pflege und Betreuung durch Fachpersonen, wie beispielsweise durch die Spitex.

Ein betreuender und pflegender Angehöriger muss nicht zwingend vor Ort sein. Angehörige, die nicht vor Ort sind (auch "Distance Care Givers" genannt), können koordinative und administrative Aufgaben übernehmen - und die Pflege und Betreuung an Fachpersonen übertragen. Ein hilfreiches Tool für die Koordination der Hilfe aus der Ferne finden Sie hier.

GUT ZU WISSEN: 
Der Begriff "Betreuung" ist in der Schweizer Gesetzgebung nicht klar geregelt. „Betreuung“ und "Pflege" werden oft unterschiedlich verwendet. Dies vor allem im Zusammenhang mit vergütbaren, resp. nicht vergütbaren, Leistungen, wie sie im Krankenversicherungs-Gesetz (KVG) und in der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) definiert sind.

 

Was versteht man unter einer pflegebedürftigen Person?

"Pflegebedürftige" sind betagte, kranke und geistig, körperlich oder psychisch behinderte Menschen in allen Lebensphasen. Unter "zu pflegende Personen" versteht der Bund: (siehe auch: Situationsanalyse und Handlungsbedarf für die Schweiz, Seite 9ff)

  • Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, die entweder schwer krank oder schwer behindert sind oder an den Folgen eines schweren Unfalls leiden.
  • Erwachsene im erwerbsfähigen Alter, die plötzlich schwer erkranken (z.B. Krebs) oder durch die Krankheit langsam zunehmend pflegebedürftig werden (z.B. Multiple Sklerose).
  • Erwachsene im fortgeschrittenen Alter, die wegen einer Erkrankung oder Altersbeschwerden in den Aktivitäten des täglichen Lebens so stark eingeschränkt sind, dass sie beim selbstständigen Leben zu Hause unterstützt werden müssen.
  • Kinder und Erwachsene mit seltenen Krankheiten: Bei den oben erwähnten Personengruppen können aufgrund der Seltenheit einer Erkrankung zusätzliche Belastungen auftreten, die sowohl die erkrankte Person als auch die Angehörigen betreffen. Dazu zählt der Zugang zu Informationen über die Krankheit, die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistungen und der Zugang zu entsprechend qualifizierten Ärztinnen und Ärzten. Jährlich sind schätzungsweise 6000 bis 8000 Patientinnen und Patienten, unabhängig vom Alter, von seltenen Krankheiten betroffen.
  • Minderjährige und erwachsene Personen mit einer Hilflosigkeit, die von der Invalidenversicherung unterstützt werden. Nach Artikel 9 des Bundesgesetzes über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (SR 830.1) gilt eine Person dann als hilflos, wenn sie wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit für alltägliche Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf.

Welche Aufgaben übernehmen betreuende und pflegende Angehörige?

Betreuende und pflegende Angehörige unterstützen pflegebedürftige Personen insbesondere bei den folgenden Tätigkeiten:

  • Selbstversorgung und Pflege (Unterstützung bei der Körperpflege, der Medikamenteneinnahme und/oder der Lagerung und Mobilisierung)
  • Administrative und koordinative Tätigkeiten (z.B. Steuererklärung, Rechnungen, Behördengänge, Koordination von Pflege und Unterstützungsdiensten)
  • Haushalt (Mahlzeiten zubereiten, Wäsche waschen, putzen etc.)
  • Mobilität (gewährleisten der Mobilität in der Wohnung, begleiten zu Terminen, Fahrdienste etc.)
  • Freizeit – gegen die Einsamkeit (Besuche koordinieren, an Bewegungs- und Begegnungsanlässen oder an kulturellen Anlässen teilnehmen)
GUT ZU WISSEN:
Ihre Spitex-Organisation oder andere Beratungsstellen helfen Ihnen gerne. Lassen Sie sich Tipps zur Körperpflege geben oder Lagerungstechniken zeigen. Oder besuchen Sie eine Weiterbildung oder einen Kurs für Angehörige, beispielsweise den Lehrgang "Pflegehelfer/ Pflegehelferin" beim Schweizerischen Roten Kreuz.

 

Welche Gedanken sollten Sie sich machen, bevor Sie die Betreuungsaufgabe übernehmen?

Wenn ein Familienmitglied betreuungs- oder pflegebedürftig wird, stehen viele Fragen im Raum:

  • Habe ich genügend Zeit für Betreuung und Pflege?
  • Was motiviert mich, die Betreuung zu übernehmen?
  • Wer kommt für die Kosten auf? Wie ist meine finanzielle Situation?
  • Was passiert bei einem Lohnausfall oder bei einem Ausfall der Sozialversicherungs-Beträge?
  • Wie beeinflusst die Aufgabe mein Leben? Wo sind meine Grenzen?
  • Welche Unterstützungen und Entlastungen gibt es und will ich diese in Anspruch nehmen?
  • Wer übernimmt meine Aufgaben, wenn ich abwesend bin?
  • Ist eine Unterbringung im Heim eine Option oder sogar sinnvoller?

Die Entscheidung für die Betreuung zu Hause ist nicht einfach. Sprechen Sie mit der pflegebedürftigen Person, mit Familienmitgliedern und anderen beteiligten Personen. Klären Sie, welche Unterstützung notwendig ist, was von Ihnen erwartet wird aber auch was Sie selbst leisten wollen und können. Durch den Austausch mit den verschiedenen Personen und Organisationen erhalten Sie ausserdem hilfreiche Tipps und praktische Ratschläge, die Ihnen die Pflege und Betreuung erleichtern können.

Mögliche Gründe oder Motivation

Grundsätzlich sind die Gründe oder die Motivation, Betreuung und Pflege zu übernehmen, sehr individuell. Neben Verpflichtung, gesellschaftlichen Erwartungen und der finanziellen Situation sind die Hauptgründe meistens die Liebe zur Person und das Bedürfnis, "etwas zurück geben zu wollen". Viele Angehörige sehen die Betreuung in erster Linie nicht als Belastung, sondern als sinngebende und selbstverständliche Tätigkeit.

Und trotzdem: diese Tätigkeit kann langfristig zur Belastung werden. Es ist wichtig, sich mit den Gründen und der Motivation der Betreuungsaufgabe auseinanderzusetzen - für die eigene Gesundheit. Wer Betreuungsaufgaben übernimmt, weil es erwartet wird oder, weil er oder sie Geld sparen möchte, ist rasch am Ende der Kräfte. Der grosse zeitliche Aufwand oder auch das Gefühl, sich selbst aufzugeben, kann die betreuende und pflege Person im schlimmsten Fall selbst krankmachen. Auch die Reduktion oder sogar die Aufgabe des Berufs sollte gut überlegt werden. Denken Sie langfristig, auch für sich selbst. Neben Lohnausfall geht es auch um Lücken in der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). Nehmen Sie sich daher Zeit und lassen Sie sich beraten. Und sprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber über Möglichkeiten.

Nachfolgend finden Sie einige Pro- und Kontra-Aspekte, welche vor der Übernahme von Betreuungsaufgaben zu überdenken sind:

Positive Faktoren

  • konstante und vertraute Pflege- und Betreuungspersonen
  • Angehörige sind mit der individuellen Situation der zu betreuenden Person vertraut
  • keine Abhängigkeit von Drittpersonen
  • kurze Entscheidungswege
  • höhere Mitbestimmung
  • grössere Eigenständigkeit
  • Intimsphäre bleibt erhalten, da Fremdbetreuung oder Heimkosten entfallen oder eingespart werden können


Negative Faktoren

  • kann körperlich, emotional und psychisch belasten – das Risiko für stressbedingte Krankheiten bei der betreuenden Person steigt
  • oft fehlt Wertschätzung und Anerkennung
  • grosser Zeitaufwand
  • Finanzielle Einbusse sowie Lücken bei Pensionskassengeldern und Rente bei Berufsaufgabe 

Dieses hilfreiche Tool unterstützt Sie bei der Entscheidung: Checkliste Entscheidungshilfe