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Die DNA-Analyse am mutmasslichen Skelett des Bündner Freiheitshelden Jörg Jenatsch hat keine absolute Gewissheit über die Identität des Toten gebracht. Die internationale Forschergruppe des Archäologischen Dienstes Graubünden, der Demokrit-Universität Thrakien sowie der Universität Zürich geht jedoch aufgrund verschiedener Indizien davon aus, dass tatsächlich Jörg Jenatsch in der Churer Kathedrale begraben liegt.

Oberst Jörg Jenatsch (1596–1639), einer der Anführer der Bündner Truppen in den Wirren des Dreissigjährigen Krieges, wurde 1639 während der Fasnacht ermordet und in der Churer Kathedrale beigesetzt. Im Jahre 1959 wurde das mutmassliche Skelett von Jörg Jenatsch erstmals exhumiert und wissenschaftlich erforscht. Die damaligen Ergebnisse sind jedoch nie publiziert worden.

Seit einem Jahr wertet der Archäologische Dienst Graubünden mit Unterstützung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Zürich, Berlin, Kiel und Thrakien den Inhalt dieses Grabes aus. Das mutmassliche Grab von Jenatsch wurde im März 2012 erneut geöffnet. "Wir wollten unter anderem die Identität des Skeletts mittels neuer genetischer Analysemethoden verifizieren", erklärt der Bündner Kantonsarchäologe Thomas Reitmaier. Drei lebende Nachfahren, die aus der direkten männlichen Linie von Jörg Jenatschs Verwandtschaft stammen, gaben Wangenschleimhautabstriche ab, um ihre DNA mit der des Skeletts zu vergleichen. Da Y-chromosomale DNA unverändert vom Vater zum Sohn weitergegeben wird, müssten die Nachfahren Jenatschs dasselbe Y-chromosomale Muster zeigen wie das Skelett. 

Antike DNA erhalten
Bei der Analyse von archäologischen Proben muss sichergestellt werden, dass die extrahierte, oft stark fragmentierte DNA tatsächlich von dem untersuchten Material stammt und es sich nicht um eine Kontamination mit moderner DNA handelt. Die DNA von Teilen des Oberschenkelknochens sowie eines Backenzahns wurde im Zentrum für Evolutionäre Medizin des Anatomischen Instituts der Universität Zürich untersucht. "Die gewonnene DNA war stark degradiert. Wir konnten dennoch genetische Analysen durchführen", sagt Molekularbiologin Cordula Haas vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, an welchem die Proben mituntersucht wurden.

Um die Verwandtschaft von Jörg Jenatsch mit den männlichen Nachfahren seines Urgrossvaters zu prüfen, wurden Y-chromosomale Merkmale untersucht, die so genannten Y-STRs (short tandem repeats) und Y-SNPs (single nucleotide polymorphisms). Die 22 untersuchten Y-SNPs waren sowohl bei den drei Nachfahren als auch beim Skelett identisch. Allerdings kommt dieses Y-SNP-Muster in Mitteleuropa relativ häufig vor und das Ergebnis ist daher nicht sehr aussagekräftig. Die Y-STRs zeigten identische Ergebnisse bei den drei Nachfahren, jedoch in 3 von 23 untersuchten Y-STRs Abweichungen zum Skelett. Die biostatistische Auswertung zur Verwandtschaftswahrscheinlichkeit ergab kein schlüssiges Resultat. "Mit genetischen Abklärungen konnten wir also keine absolute Gewissheit über die Identität des Skeletts gewinnen", so Cordula Haas. 

Gute Indizienlage
Übrig bleiben jene Indizien, welche bereits vor der genetischen Analyse zur Identifikation der Leiche beigezogen werden konnten. Laut Auskunft von Christina Papageorgopoulou, der leitenden Anthropologin des Projekts, handelt es sich beim männlichen Skelett um ein erwachsenes Individuum maturen Alters – also älter als 40 Jahre und jünger als 60 Jahre alt – was für den 43-jährig ermordeten Jenatsch zutreffen würde. Weiter ist höchst wahrscheinlich, dass die am Skelett festgestellten Schädelfrakturen zum Tod der Person geführt haben. Auch dieses Indiz trifft für den offenbar mit Axthieben gegen den Kopf erschlagenen Jenatsch zu. Zudem weist die Kleidung den Toten als reiche, nicht klerikale Person aus, die im 17. Jahrhundert lebte. Und zuletzt stimmt der Bestattungsort mit einer zeitgenössischen Quelle, wonach Jenatsch unter der Orgel in der Churer Kathedrale beigesetzt wurde, überein. "Alles in allem eine gute Indizienlage", so das Fazit von Projektleiter Manuel Janosa. "Wir dürfen mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass es sich beim Grab um jenes von Jörg Jenatsch handelt." 
 

Bildbeilage:
Bild 1:
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Exhumierung des Skeletts im Frühling 2012. Christina Papageorgopoulou, die leitende Anthropologin der Exhumierung, erklärt dem Projektleiter Manuel Janosa ihre ersten Eindrücke des eben geborgenen Schädels.

Bild 2:
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Natalia Shved vom Zentrum für evolutionäre Medizin an der Universität Zürich (links) und Christina Papageorgopoulou bei der Probenentnahme am offenen Grab.

Bild 3:
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Im Labor des Zentrums für evolutionäre Medizin an der Universität Zürich wird eine Extraktionslösung zu einer DNA-Probe aufbereitet.

Bild 4:
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DNA-Analyse im Institut für Rechtsmedizin an der Universität Zürich. 

Hinweis:
Zu diesem Thema ist unter www.gr.ch ein Video aufgeschaltet. 
 

Auskunftspersonen: 
Archäologischer Dienst Graubünden: 
Thomas Reitmaier, Kantonsarchäologe Graubünden, Tel. 081 257 48 60, thomas.reitmaier@adg.gr.ch  
Manuel Janosa, Projektleiter Auswertung und Publikation Jenatschgrab, Tel. 079 467 67 12, manuel.janosa@adg.gr.ch  

Universität Zürich: 
Frank Rühli, Leiter, Zentrum für Evolutionäre Medizin (aDNA-Labor), Anatomisches Institut, Universität Zürich, Tel. 079 718 67 99, frank.ruhli@anatom.uzh.ch  
Cordula Haas, Molekularbiologin am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, Tel. 044 635 56 56

Demokrit-Universität Thrakien, Griechenland: 
Christina Papageorgopoulou, Leitende Anthropologin im Projekt Auswertung und Publikation Jenatschgrab, Tel. 0030 6972 796 736, cpapage@he.duth.gr  

Bischöfliches Ordinariat Chur: 
Giuseppe Gracia, Beauftragter für Medien und Kommunikation, Tel. 079 632 61 81


Gremium: Archäologischer Dienst Graubünden
Quelle: dt Archäologischer Dienst Graubünden
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