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Lernende aus den italienischsprachigen Regionen Graubündens, welche ihre Berufsausbildung im deutschsprachigen Teil absolvieren, schätzen ihre Deutschkenntnisse als ausreichend ein, um in Schule und Beruf zu bestehen. Sie sehen eine Ausbildung im deutschsprachigen Raum als Chance für ihre berufliche Weiterentwicklung und sind bereit einen entsprechenden Mehraufwand auf sich zu nehmen. Unzureichende Deutschkenntnisse sind selten der Grund für einen Lehrabbruch.

Wenn Jugendliche aus Südbünden einen Beruf erlernen möchten, sind sie mit der Tatsache konfrontiert, dass eine berufliche Grundbildung oft nur auf Deutsch möglich ist. Dies stellt sie vor Herausforderungen sprachlicher, schulischer und logistischer Art. Die Pädagogische Hochschule Graubünden (PHGR) untersuchte im Rahmen der Sonderprofessur für integrierte Mehrsprachigkeitsdidaktik (IMD) die Situation der Jugendlichen aus Südbünden (Puschlav, Bergell, Misox und Calancatal), welche eine Berufsausbildung in deutscher Sprache absolvieren.

Ausgangslage und Fragestellung
Die PHGR legt damit eine erste empirisch analysierte Studie in Form des Berichts «Südbünden» vor. Die Fragestellung lautete: «Wie sieht die Ausgangslage der Jugendlichen aus Südbünden aus, die nach der obligatorischen Schule eine Berufslehre bzw. eine Berufsschule im deutschsprachigen Raum Graubünden absolvieren»? Die Studie wurde in aufeinanderfolgenden Schritten geplant und durchgeführt. Nach der Datensammlung und -analyse erfolgte eine qualitative Erhebung mittels Gruppendiskussionen mit Lehrpersonen an deutschsprachigen Berufsschulen in Graubünden sowie Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern in Lehrbetrieben der Regionen Chur und Engadin. Zusätzlich wurde eine qualitative Befragung von Lernenden aus Italienischbünden, welche zu diesem Zeitpunkt eine Berufsfachschule besuchten und ihre Berufsausbildung ganz oder teilweises in Deutsch bestritten, durchgeführt. An der Untersuchung haben insgesamt 81 Personen teilgenommen, was einer Rücklaufquote von 72 Prozent entspricht.

Deutschkompetenz als Erfolgsfaktor für die berufliche Weiterentwicklung
Die italienischsprachigen Lernenden sind sich der Wichtigkeit von guten Deutschkenntnissen bewusst. Sie sehen ihre berufliche Grundbildung in deutscher Sprache als Herausforderung, aber auch als Chance. Durch eine hohe Deutschkompetenz wird die Hemmschwelle Richtung Deutschschweiz abgebaut und das potentielle künftige Arbeitsumfeld erweitert. Vor allem zu Beginn der beruflichen Grundbildung zeigen sich unzureichende Sprachkenntnisse. Dies kann teilweise zu schulischen Schwierigkeiten führen, die Integration erschweren und ein Gefühl des Fremdseins auslösen. Die Jugendlichen lernen an der Volksschule Hochdeutsch, werden aber in ihrem beruflichen und schulischen Alltag mit Schweizerdeutsch konfrontiert. Die Lernenden zeigen im Allgemeinen eine hohe Motivation, sich den Herausforderungen zu stellen. So eignen sich die italienischsprachigen Lernenden beispielsweise Fachbegriffe in zwei Sprachen an.

Eine gezielte Förderung der Deutschkenntnisse am Arbeitsplatz erfährt seitens der Lernenden eine höhere Zustimmung als die von den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern vorgeschlagenen Deutschkurse. Lernende aus Südbünden sind nebst den sprachlichen Hürden mit weiteren Herausforderungen konfrontiert. Sie gehen früh von zu Hause weg und müssen in einem fremden Kontext rasch selbständig werden. Nicht nur die Lernenden selber, sondern auch Lehrpersonen an Berufsfachschulen sowie Berufsbildnerinnen und Berufsbildner in Lehrbetrieben erkennen, dass die Ausbildungssituation für die Lernenden sehr herausfordernd sein kann. Sie sehen jedoch auch, dass man an dieser Herausforderung wachsen kann. Die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner erleben die italienischsprachigen Lernenden als engagiert und motiviert, die berufliche Grundbildung in Deutschbünden zu absolvieren. Dies begründet sich unter anderem auch darin, ihre Deutschkompetenzen verbessern zu wollen.

Abgeleitete Massnahmen
Die Regierung hat den Bericht der PHGR zur Kenntnis genommen. Gestützt auf die Auswertung der Rückmeldungen der drei Bildungsämter Amt für Volksschule und Sport (AVS), Amt für Berufsbildung (AFB) und Amt für Höhere Bildung (AHB) wurden fünf umsetzbare Massnahmen abgeleitet. Das AFB wurde beauftragt, die Berufsfachschulen für die Umsetzung der definierten Massnahmen zu sensibilisieren:

  • Massnahme 1: Konsequente Verwendung von Hochdeutsch im Unterricht;
  • Massnahme 2: Förderung des Austauschs unter den Berufsfachschulen über die Verwendung von Hilfsmitteln;
  • Massnahme 3a: Bedarfsgerechte Terminierung von angebotenen Stützkursen, wenn möglich nicht an Samstagen;
  • Massnahme 3b: Prüfung eines Pilotprojekts für Stützkursangebote via Fernunterricht unter den betroffenen Berufsschulen;
  • Massnahme 3c: Durchführung von Einzelfallabklärungen für den Besuch von Stützkursen an einer näher gelegenen Berufsfachschule.

Das AFB wird im Rahmen der Konferenz der Berufsfachschulleitenden vom 9. März 2023 die vorgeschlagenen Massnahmen sowie deren Umsetzung besprechen. Die Regierung ist überzeugt, mit diesen Massnahmen, Lernende aus Südbünden, welche ihre berufliche Grundbildung im deutschsprachigen Raum Graubündens absolvieren, zielführend zu unterstützen.

«Certificat rumantsch» in den Idiomen Vallader und Sursilvan
Bei diesem Projekt geht es darum, Sprachkompetenznachweise für die Idiomatischen Erstsprachkenntnisse und Kenntnisse in Rumantsch Grischun zu entwickeln und nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu validieren. Konkret soll es künftig möglich sein, in Anlehnung an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) Sprachkenntnisse systematisch zu erheben und diese zu zertifizieren. Um die wissenschaftliche Qualität des Projekts zu gewährleisten, arbeitet die PHGR eng mit dem Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich zusammen.

Vorerst werden die Aufgaben in den beiden Idiomen Vallader und Sursilvan entwickelt. Längerfristig sollen auch Testaufgaben in den anderen Idiomen und in Rumantsch Grischun entstehen. In einer ersten Phase soll die Romanischkompetenz von (angehenden) Lehrpersonen aller Schulstufen erhoben werden. Mittelfristig soll der Test allen zur Verfügung stehen, die einen Nachweis ihrer Sprachkompetenz auf sehr hohem Niveau (C1-C2) haben wollen. Langfristig soll der Kompetenznachweis auch für andere Kompetenzstufen ermöglicht werden. Die Einteilung der Testaufgaben orientiert sich am Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER), der die Sprachkompetenz in den Stufen «Elementare Sprachverwendung» (A1-A2), «Selbständige Sprachverwendung» (B1-B2/First), «Kompetente Sprachverwendung» (C1-C2/Advanced und Proficiency) einstuft.

Beilage:

Bericht der Pädagogischen Hochschule «Berufliche Ausbildung in deutscher Sprache – Eine Herausforderung für Jugendliche aus Südbünden? Eine Situationsbeschreibung aus der Perspektive von Lernenden und Lehrenden»

Auskunftspersonen:

  • Prof. Dr. Gian-Paolo Curcio, Rektor PH Graubünden, Tel. +41 81 354 03 20, E-Mail Gian-Paolo.Curcio@phgr.ch
  • Curdin Tuor, Leiter Amt für Berufsbildung, Tel. +41 81 257 27 70 (erreichbar von 13.30 bis 14.40 Uhr), E-Mail Curdin.Tuor@afb.gr.ch


zuständig: Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement

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