Stellungnahme zu den Sanierungsvarianten
Die Axpo hat verschiedene Varianten zur Verminderung oder Vermeidung von künstlichen Wasserstandschwankungen erarbeitet. Nachfolgend werden die wichtigsten Grundlagen und die Varianten beschrieben.
Der Kanton ist an der Haltung der betroffenen Gemeinde und Organisationen gegenüber den vorgeschlagenen Massnahmen interessiert, weil diese lokale Auswirkungen haben. Die betroffenen Gemeinden und Organisationen wurden per E-Mail zur Stellungnahme aufgefordert.
Detaillierte Unterlagen finden Sie ganz unten im Kapitel Dokumente. Diese stehen grundsätzlich allen Interessierten zur Verfügung.
Künstliche Wasserstandschwankungen durch Wasserkraftwerke (Schwall und Sunk)
Wenn ein Kraftwerk mit Wasser aus einem Speichersee Strom produziert, nimmt der Abfluss im Fluss unterhalb des Kraftwerks plötzlich zu. Wenn die Stromproduktion beendet wird, nimmt der Abfluss rasch wieder ab. Solche künstlichen Abflussschwankungen nennt man Schwall und Sunk.
Im Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (GSchG), wurden auf den 1. Januar 2011 Änderungen in Kraft gesetzt (Art. 39a GSchG). Diese bezwecken, die negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung auf die Gewässerökosysteme zu beseitigen. Dazu zählen unter anderem die Folgen von künstlichen Abflussschwankungen in Gewässern unterhalb von Wasserkraftanlagen, dem sogenannten Schwall und Sunk.
Schwall und Sunk führt unter anderem dazu, dass
- Jungfische, Fischbrütlinge oder Insektenlarven stranden, weil sie dem schnellen Wasserrückgang nicht folgen können;
- Jungfische, Fischbrütlinge oder Insektenlarven Fluss abwärts geschwemmt werden, weil sie der Strömung nicht ausweichen können;
- der abgelegte Fischlaich weggespült wird oder zeitweise austrocknet und dadurch abstirbt;
- künstliche Temperaturschwankungen im Gewässer auftreten und dadurch die Entwicklung von Wassertieren beeinträchtigt wird;
- die Entwicklung von Wassertieren stark beeinträchtigt wird.
Aufgrund der neuen Bestimmungen im Gewässerschutzgesetz müssen künstliche Abflussveränderungen, welche die einheimischen Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume wesentlich beeinträchtigen, von den Inhabern der Wasserkraftwerke mit baulichen Massnahmen verhindert oder beseitigt werden. Die Massnahmen müssen bis zum 31. Dezember 2030 umgesetzt werden.
Die Inhaber solcher Wasserkraftwerke wurden von der Regierung des Kantons Graubünden verpflichtet, mögliche Sanierungsmassnahmen zu prüfen und umsetzbare Massnahmen vorzuschlagen.
Diese Massnahmen liegen in Form eines Variantenstudiums vor. Darin haben die Kraftwerksinhaber die nach Ihrer Ansicht besten Sanierungsmassnahmen bezeichnet.
Schwall und Sunk wird am Alpenrhein durch die Wasserrückgaben am Vorder- und Hinterrhein bewirkt. Um Beeinträchtigungen durch Schwall und Sunk am Alpenrhein zu vermeiden, muss immer eine Kombination von Massnahmen am Vorder- und Hinterrhein betrachtet werden. Die nachfolgend beschriebenen direkten Massnahmen am Alpenrhein sind deshalb immer als zusätzliche Massnahmen zu betrachten. Ohne Massnahmen am Vorder- und Hinterrhein haben diese Massnahmen nur eine geringe Wirkung. Als Ergänzung zu den Massnahmen am Vorder- und Hinterrhein können sie jedoch die Situation am Alpenrhein zusätzlich verbessern.
Massnahme 9: Erhöhung Stauwehr Reichenau um 1 m; 300 000 m³ (AR-KWR)
Wie ist Ihre Gemeinde von den Massnahmen betroffen?
Domat/Ems: Erhöhung Wehr, Rückstau (+1m Wasserspiegel)
Tamins: Erhöhung Wehr, Rückstau (+1m Wasserspiegel)
Bonaduz: Rückstau
Felsberg: -
Chur: -
Trimmis: -
Untervaz: -
Zizers: -
Landquart: -
Maienfeld: -
Bad Ragaz: -
Durch die Erhöhung des Stauwehrs Reichenau der Kraftwerke Reichenau AG (KWR) um einen Meter wird ein zusätzliches Stauvolumen von rund 300'000 m³ geschaffen. Damit werden die Abflüsse vom Vorder- und Hinterrhein weiter ausgeglichen. Von der Erhöhung des Stauwehrs sind die Parzellen 1900, 1902 und 1945 der Gemeinde Domat/Ems und die Parzellen 1978, 1979 und 1980 der Gemeinde Tamins betroffen. Die Stauwurzel verschiebt sich um bis zu 300 m flussaufwärts. Die bestehende Fischtreppe muss angepasst werden, damit der Aufstieg der Fische weiterhin gewährleistet werden kann.
Gesamtkosten:
CHF 16 000 000.- exkl. MWST
Bezeichnungen und Dokumente:
Bezeichnung: Erhöhung Wehr Reichenau
Kürzel: AR-KWR
Bericht:
1.3 Machbarkeitsstudie Erhöhung Stauwehr in Reichenau.pdf
Kostenzusammenstellung:
1.3 Machbarkeitsstudie Erhöhung Stauwehr in Reichenau.pdf
Ökologischer Nutzen:
Durch das neu geschaffene Stauvolumen bei der KWR werden die Wasserstandschwankungen zusätzlich zu den Massnahmen am Vorder- und Hinterrhein weiter gedämpft und verlangsamt. Die Gewässerorganismen im Alpenrhein können dadurch den Wasserstandschwankungen besser folgen und es werden konstantere Bedingungen geschaffen. Die wiederkehrenden Schwankungen treten aber weiterhin auf und bedeuten einen erhöhten Energieaufwand für die Gewässerorganismen, weil sie dem Wasserstand folgen müssen. Die Wehrerhöhung KWR trägt ergänzend zu den Massnahmen am Vorder- und Hinterrhein dazu bei, dass im Alpenrhein die erforderlichen Zielvorgaben eingehalten werden können. Der ökologische Nutzen dieser Massnahme ist in Kombination mit geeigneten Massnahmen am Vorder- und Hinterrhein daher als "gross" zu beurteilen. Ohne Massnahmen am Vorder- und Hinterrhein ist der ökologische Nutzen der Stauwehrerhöhung alleine gering.
Vorteile:
- Schwall/Sunk-Abflüsse können zusätzlich gedämpft und verlangsamt werden
- Massnahme wirkt für den ganzen Alpenrhein
- Wenig Landverbrauch und nur wenig Zielkonflikte
- Massnahme ist kaum wahrnehmbar
- Bestes Kosten-/Nutzenverhältnis aller im Variantenstudium geprüften Massnahmen
- Preiswerteste und klar verhältnismässige Massnahme
Nachteile:
- Stauwurzel reicht bis in die Rhäzünser Aue von nationaler Bedeutung
Massnahme 10: Ausleitung von Domat/Ems (Stau Reichenau) nach Mastrils (Wasserrückgabe Sarelli) mit zusätzlicher Wasserkraftnutzung (AR-AKA)
Wie ist Ihre Gemeinde von den Massnahmen betroffen?
Domat/Ems: Restwasserstrecke
Tamins: Stollen, Einlaufbauwerk, Installationsplatz, Restwasserstrecke
Bonaduz: -
Felsberg: Stollen, Restwasserstrecke
Chur: Stollen, Restwasserstrecke
Trimmis: Restwasserstrecke
Untervaz: Stollen, Restwasserstrecke, Installationsplatz
Zizers: Restwasserstrecke
Landquart: Stollen, Restwasserstrecke, Installationsplatz
Maienfeld: Restwasserstrecke, Installationsplatz
Bad Ragaz: Stollen, Stollenportal, Installationsplatz, Zentrale und Wasserrückgabe
Mit der Ausleitung Domat/Ems-Mastrils (Wasserrückgabe Sarelli) werden die Schwall/Sunk-Abflüsse von Vorder- und Hinterrhein weiter ausgeglichen. Das Wasser wird direkt im Staubereich des Kraftwerks Reichenau (KWR) gefasst und mittels Speicherstollen (775 000 m³) bis nach Mastrils zur bestehenden Zentrale Sarelli der Kraftwerke Sarganserland AG (KSL) geführt. Von da wird das Wasser gedämpft in den Alpenrhein zurückgegeben. Durch den Bau des Ausleitkraftwerks sind die Parzellen 132, 1917, 1954-1956, 1960-1963, 1968, 1973, 1975, 1976, 1981-1994, 1996-2001, 2003-2005 der Gemeinde Tamins (Bau Wasserfassung), die Parzelle 3425 der Gemeinde Landquart, die Parzellen 1917-1919 der Gemeinde Maienfeld und die Parzellen 667, 668, 678, 1668 und 2029 der Gemeinde Bad Ragaz (Erweiterung Zentrale) betroffen. Durch die Ausleitung von max. 120m³/s (Ausbauwassermenge) wird nebst der Dämpfung des Schwallabflusses eine Bruttojahresproduktion von 290 GWh erzeugt.

Gesamtkosten:
CHF 762 000 000.- exkl. MWST
Bezeichnungen und Dokumente:
Bezeichnung: Ausleitung Ems-Mastrils
Kürzel: AR-AKA
Bericht:
1.2 Machbarkeit Ausleitungen Speicherstollen.pdf
Pläne:
1.2.20 AR - Gesamtübersicht.pdf
1.2.21 AR - Längenprofil.pdf
1.2.22 AR - Wasserfassung und Rückgabe.pdf
Kostenzusammenstellung:
1.2 Machbarkeit Ausleitungen Speicherstollen.pdf
Ökologischer Nutzen:
Durch die Ausleitung mittels Speicherstollen (775 000 m³) können die Wasserstandschwankungen des Kraftwerksbetriebs des Vorder- und Hinterrheins nach der Wasserrückgabe in Sarelli deutlich reduziert werden. Da nur ein Teil des Wassers ausgeleitet wird, besteht im Abschnitt zwischen Domat/Ems und Mastrils weiterhin Schwall und Sunk im Alpenrhein, jedoch deutlich weniger ausgeprägt. Wenn bereits vor Domat/Ems die Schwallabflüsse gedämpft werden, ist die Wirkung im Alpenrhein wesentlich grösser. Die Massnahme lohnt sich also insbesondere in Kombination mit Massnahmen am Vorder- und Hinterrhein. Je geringer die Schwallwellen im Alpenrhein sind, desto weniger müssen die Gewässerorganismen den Wasserstandschwankungen folgen und desto geringer ist das Risiko zu stranden. Auch nach der Wasserrückgabe bei Sarelli ist der Abfluss deutlich gedämpft und verlangsamt. Der ökologische Nutzen hinsichtlich Schwall und Sunk ist somit sehr gross und die geforderten Zielvorgaben werden komplett erfüllt. Ohne zusätzliche Massnahmen am Vorder- und Hinterrhein ist der ökologische Nutzen der Ausleitung Ems-Mastrils jedoch begrenzt. Um die verbleibenden Wasserstandschwankungen im Abschnitt Domat/Ems – Mastrils zu dämpfen, sind zwingend zusätzlich Massnahmen vorzusehen.
Die minimalen Abflüsse würden sich im Vergleich zu heute nicht verändern. Im Rahmen eines allfälligen Bewilligungsverfahrens gilt es aber nachzuweisen, dass die Restwassermengen ausreichen, um alle ökologischen und landschaftlichen Funktionen des Alpenrheins in der Restwasserstrecke zu erfüllen.
Vorteile:
- Grosse zusätzliche erneuerbare Stromproduktion durch Wasserkraft (Domat/Ems-Mastrils)
- Deutlich gedämpfter Schwall/Sunk im Alpenrhein
- Kaum oberirdische bzw. sichtbare Bauwerke und daher kaum Zielkonflikte
- In Kombination mit Massnahmen am Vorder- und Hinterrhein hoher ökologischer Nutzen für den ganzen Alpenrhein
Nachteile:
- Restschwall in Schutzgebiete nationaler Bedeutung
- Konflikte mit Grund- und Quellwasser
- Die Kosten sind sehr hoch und müssen als nicht verhältnismässig eingeschätzt werden
- Verringerte Stromproduktion KWR