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Bleiben Sie nicht allein!

Bleiben Sie bei einem unguten Bauchgefühl, einer Vermutung oder einem Verdacht nicht allein und holen Sie sich frühzeitig Unterstützung – auch als Fachperson. Im Kindesschutz ist das Vier-Augen-Prinzip zentral.

Warum Austausch wichtig ist

Es ist wichtig, sich mit anderen Fachleuten auszutauschen und die eigene Wahrnehmung zu überprüfen. Ungünstige Entwicklungen oder Kindeswohlgefährdungen sind häufig sehr komplex und können auch bei Fachpersonen emotionale Reaktionen und Ohnmachtsgefühle auslösen. Eigene Empfindungen hängen oft mit persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen zusammen. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein, um Beobachtungen und Hinweise richtig einzuordnen und zwischen Fakten und Vermutungen unterscheiden zu können. Betrachten Sie den Austausch als wertvolle Ressource, um Unsicherheiten abzubauen und mehr Klarheit über die Situation zu gewinnen. Eine gelingende Zusammenarbeit geprägt von Wertschätzung und Kooperationsbereitschaft unter allen Beteiligten ist eine wesentliche Voraussetzung für einen wirksamen Kindesschutz.

Mögliche Austauschformen sind:

  • Gespräche im Team und/oder mit vorgesetzten Personen
  • Vernetzung mit anderen Fachpersonen, die das Kind aus einem anderen Kontext kennen und dadurch eine ergänzende Perspektive einbringen
  • Hinzuziehen weiterer fachlicher Unterstützung

Prüfen Sie vor einem Austausch, ob Sie das Einverständnis der Eltern oder des urteilsfähigen Kindes bzw. Jugendlichen einholen müssen – oder ob ein anonymisierter Austausch ausreicht. Klären Sie zudem, welche Teammitglieder mit der Situation des Kindes oder Jugendlichen vertraut sind.

Melderecht und Meldepflicht

Haben Fach- oder Bezugspersonen einen Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung, stellen sie sich oft zuerst die Frage: Muss ich oder darf ich meine Beobachtungen melden? Im Kindesschutz wird zwischen dem Recht auf Meldung und der Pflicht zur Meldung unterschieden. Personen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt stehen, können zu einer Meldung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sein.

Melderecht und Meldepflicht an die KESB

Regeln für den Austausch mit Drittpersonen

Bei einer (vermuteten) ungünstigen Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder einer (vermuteten) Kindeswohlgefährdung ist es entscheidend, Ruhe zu bewahren und allfällige Geheimhaltungspflichten nicht zu verletzen.

Innerhalb einer Institution dürfen Sie fall- und personenbezogene Informationen mit Mitarbeitenden austauschen, die unmittelbar mit der Situation des Kindes oder Jugendlichen betraut sind. Erfolgt der Austausch mit Teammitgliedern, die nicht direkt involviert sind, oder mit externen Fachstellen, erfolgt der Austausch anonymisiert. Als Alternative holen Sie eine schriftliche Entbindung von der Schweigepflicht bei den Eltern ein. Nicht immer lassen sich Eltern in den Prozess miteinbeziehen. Wenn keine ausdrückliche Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt oder Sie vermuten, dass der Einbezug der Eltern eine zusätzliche Gefährdung des Kindes verursachen könnte, dürfen Sie fallbezogene Informationen nicht an Dritte weitergeben (Ausnahme Meldung an die KESB). Sie dürfen jedoch weiterhin:

  • Mit betrauten Teammitgliedern eine interne Fallberatung durchführen, um die Einschätzungen anderer Fachkräfte einzuholen.
  • Eine anonymisierte interne Fallberatung einberufen, wenn die beteiligten Teammitglieder nicht direkt in die Situation des Kindes oder Jugendlichen eingebunden sind.
  • Den Fall anonymisiert bspw. der Fachberatung Kindesschutz schildern und sich über das weitere Vorgehen beraten lassen.

Gegenseitige Entbindung von der Schweigepflicht

Rolle der Familie

Die Eltern sind die wichtigsten und wirkungsvollsten Ansprechpersonen. Sie tragen die Hauptverantwortung für das Wohl des Kindes. Können sie dieser Aufgabe nicht gerecht werden oder sind sie selbst Teil der Gefährdung, müssen sie im Interesse des Wohls der Kinder und Jugendlichen gestützt werden. Mit Begleitung, Unterstützung und Beratung sollen sie dazu befähigt werden, für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen.

Die Analyse von ungünstigen Entwicklungen oder Kindeswohlgefährdungen zeigt, dass oft vorschnell ein Urteil über die Familie gefällt und dieses nicht ausreichend hinterfragt wird. Es ist deshalb ratsam, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass die Familie in der Regel der wichtigste Ort ist, um das Wohl des Kindes oder Jugendlichen nachhaltig positiv zu verändern. Eltern wollen in den allermeisten Fällen im Grundsatz das Beste für ihr Kind. Gefährdungen entstehen oft durch Überlastung oder Überforderung.

Es lohnt sich deshalb immer, die Beteiligung der Eltern, Kinder und Jugendlichen zu prüfen und zu berücksichtigen:

  • Eine Beteiligung erhöht massgeblich die Chancen auf positive Veränderungen und stärkt die Selbstwirksamkeit der Betroffenen.
  • Durch eine frühzeitige Einbindung erhalten Eltern die Möglichkeit, selbst zur Veränderung der Situation beizutragen, bevor externe Massnahmen für das Familiensystem ergriffen werden.

Zögern Sie deshalb nicht, Eltern frühzeitig einzubeziehen und auf konkrete Verhaltensweisen anzusprechen. Ausnahme: Wenn Sie unsicher sind, ob der Einbezug die Sicherheit oder das Wohl der Kinder bzw. Jugendlichen oder die Beweisführung in einem allfälligen Strafverfahren gefährdet. Bereiten Sie das Gespräch mit den Eltern vor.

Anregungen für Gespräche mit Eltern

Einbezug der Kinder und Jugendlichen

Prüfen Sie in jedem Einzelfall, wie und wann Kinder und Jugendliche in Kindesschutzprozesse einbezogen werden können. Die Art der Beteiligung ist abhängig vom Alter und dem Entwicklungsstand der Kinder bzw. Jugendlichen. Berücksichtigen Sie deren Wünsche und Bedürfnisse in Ihren Einschätzungen und Entscheidungen. Stärken Sie Kinder und Jugendliche, indem Sie sie über das Vorgehen informieren und die nächsten Schritte, soweit möglich, gemeinsam besprechen. Sollte eine Gefährdungsmeldung an die KESB erforderlich sein, teilen Sie dies den betroffenen Kindern und Jugendlichen ebenfalls mit.

Anregungen für Gespräche mit Kindern und Jugendlichen