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Grundsätze

Hilfsbedürftige Kinder, Jugendliche sowie Erwachsene sollen rasch und wirksam geschützt werden. Mit differenzierten Regeln zu Melderechten und Meldepflichten wird gewährleistet, dass die KESB rechtzeitig von solchen Situationen erfährt und berufliche Vertrauensverhältnisse bei Bedarf geschützt sind (Merkblatt der KOKES vom März 2019).

Melderecht

Jede Person kann der KESB Meldung erstatten, wenn die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität von Kindern oder Jugendlichen gefährdet erscheint. Bestimmte Berufsgruppen haben allerdings Einschränkungen bei diesem Melderecht (SR 210, Art. 314c ZGB).

Wenn jemand befürchtet, dass das Wohl von Kindern oder Jugendlichen gefährdet sein könnte, hat diese Person das Recht, eine Meldung bei der KESB zu machen. Ob die Person dieses Recht nutzt, liegt in ihrem Ermessen. Ein Beweis der Gefährdung ist nicht notwendig. Die KESB nimmt entsprechende Abklärungen vor. Wichtig zu wissen: Die KESB wird nur aktiv, wenn sie durch eine Meldung über eine mögliche Kindeswohlgefährdung informiert wird.

Bevor eine Fach- oder Bezugsperson eine Meldung bei der KESB macht, muss sie sorgfältig abwägen, ob dies wirklich im Interesse und zum Wohl der Kinder oder Jugendlichen ist. Sie muss prüfen, ob das Vertrauensverhältnis dadurch beschädigt werden könnte, da eine Meldung immer die Weitergabe persönlicher Informationen bedeutet. Verlieren Kinder oder Jugendliche das Vertrauen in eine Fach- oder Bezugsperson, kann das problematisch sein. Dennoch sind der Schutz und die Sicherheit des Kindes oder des/der Jugendlichen wichtiger als der Erhalt des Vertrauensverältnisses. Das gilt auch im Bezug auf das Vertrauen gegenüber den Eltern oder Dritten. Wenn die Fach- bzw. Bezugsperson nach reiflicher Überlegung zum Schluss kommt, dass eine Meldung Kindern oder Jugendlichen eher hilft als schadet, kann sie eine Meldung machen. Dabei sollten auch die Interessen anderer betroffener Kinder oder Jugendlicher, wie beispielsweise Geschwister, berücksichtigt werden.

Meldepflicht

Wenn die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität von Kindern und Jugendlichen als gefährdet erscheint, sind Fachpersonen, die beruflich regelmässig Kontakt mit Kindern haben, gesetzlich dazu verpflichtet der KESB Meldung zu erstatten, sofern sie nicht dem Berufsgeheimnis nach Strafgesetzbuch unterstehen und sie der Gefährdung nicht im Rahmen ihrer Tätigkeit Abhilfe schaffen können (SR 210, Art. 314c ZGB).

Die zivilrechtliche Meldepflicht gilt nicht für alle Fachpersonen, die mit Kindern beruflich in Kontakt stehen. Die Pflicht besteht für jene Berufsgruppen, die qualifiziert sein sollten, ungünstige Entwicklungen und Kindeswohlgefährdungen zu erkennen und einzuschätzen wie auch die Verantwortung für eine Meldung zu tragen. Aufgrund ihres Praxisbezugs und Fachwissens können sie mit schwierigen Situationen, die Kinder und Jugendliche betreffen, umgehen.

Grundsätzlich ist immer eine Meldung in Absprache mit den Eltern resp. sorgeberechtigten Personen anzustreben. In manchen Fällen ist dies nicht möglich. Eine Meldung an die KESB ohne Zustimmung oder gegen den Willen der Eltern sollte erst nach sorgfältiger Einschätzung der Gefährdungslage erfolgen. Die Eltern sollten über diesen Schritt informiert werden, auch wenn die Meldung ohne ihre Zustimmung gemacht wird. Auch hier gilt: Das Vertrauensverhältnis zu den Eltern oder Dritten ist der Verantwortung gegenüber gefährdeten Kindern unterzuordnen.

In allen Arbeitsbereichen wird empfohlen, die Meldung an die KESB über die Leitung zu machen, um eine allfällige weitere Zusammenarbeit mit dem Kind und dem Familiensystem zu ermöglichen.

Meldepflichtige Berufsgruppen

Insbesondere zwei Personengruppen sind grundsätzlich meldepflichtig. Sie sind meldepflichtig, wenn konkrete Hinweise dafür bestehen, dass die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität von Kindern oder Jugendlichen gefährdet ist und sie der Gefährdung nicht im Rahmen ihrer Tätigkeit Abhilfe schaffen können. Die Meldepflicht ist auch erfüllt, wenn die Meldung an vorgesetzte Personen erfolgt. Die dritte Personengruppe untersteht dem Berufsgeheimnis nach Strafgesetzbuch. In Akutfällen sind auch sie meldepflichtig.

Fachpersonen, die beruflich regelmässig mit Kindern oder Jugendlichen Kontakt haben

Fachpersonen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Pflege, Betreuung, Erziehung, Bildung, Sozialberatung, Religion und Sport. Dazu zählen u.a. Betreuungsfachpersonen in Spielgruppen und Kindertagesstätten sowie Nannys und professionelle Tagesmütter/Tageseltern, Lehrpersonen an nicht-obligatorischen Schulen, Therapeutinnen und Therapeuten (z.B. Physiotherapie, Osteopathie, Ergotherapie, psychologische Therapien), Mitarbeitende von Beratungsstellen (z.B. Elternberatung) oder private Organisationen zur sozialen Unterstützung, professionelle Trainerinnen und Trainer jeder Sportart, professionelle Musiklehrerinnen und Musiklehrer.

Personen mit öffentlich-rechtlichem Auftrag

Personen oder Stellen, die einen öffentlich-rechtlichen Auftrag (von Staat, Kanton oder Gemeinde) erfüllen. Dazu zählen u.a. Polizei, (Jugend-)Strafbehörden, Zivilgerichte, Migrationsbehörden, Steuer- oder Betreibungsämter, Sozialarbeit, öffentliche wie auch private Schulen/Lehrpersonen (die Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter unterrichten) oder Personen, die im Auftrag der KESB eine Sozialabklärung durchführen.

Personen mit Berufsgeheimnis

Bei Kenntnis über akute Fremd- oder Eigengefährdung von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen sind auch Fachpersonengruppen, die dem Berufsgeheimnis unterstehen, zu einer Meldung verpflichtet (BR 210.100, Art. 61 Abs. 1 EG ZGB). Das Berufsgeheimnis ist für folgende Berufsgruppen von Bedeutung: Ärztinnen und Ärzte, Geistliche, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Verteidigerinnen und Verteidiger, Notarinnen und Notare, Patentanwältinnen und Patentanwälte, Revisorinnen und Revisoren (die nach Obligationenrecht zur Verschwiegenheit verpflichtet sind), Zahnärztinnen und Zahnärzte, Chiropraktorinnen und Chiropraktoren, Psychologinnen und Psychologen, Hebammen.

Ausnahmen von der Meldepflicht

Die grundsätzliche Meldepflicht gilt nicht für Fachpersonen, die dem strafrechtlich geschützten Berufsgeheimnis (Art. 321 StGB) unterliegen (Personengruppe mit Berufsgeheimnis). Sie dürfen Informationen, die sie während ihrer Arbeit erhalten, grundsätzlich nicht weitergeben, auch nicht an die KESB (Ausnahme in Akutfällen). Wenn eine Meldung jedoch im Interesse des Kindes liegt, können auch solche Personen das Berufsgeheimnis brechen, um eine Meldung zu machen (Art. 314c Abs. 2 ZGB) oder sie lassen sich von ihrer Aufsichtsbehörde vom Berufsgeheimnis entbinden.

Weitere Ausnahmen von der Meldepflicht gelten auch für Personen, die ehrenamtlich, freiwillig und ausschliesslich im Freizeitbereich mit Kindern und Jugendlichen Kontakt haben. Das sind beispielsweise: Pfadi-, J+S- sowie JUBLA-Leitende, ehrenamtliche Sporttrainerinnen und Sporttrainer, freiwillige Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter.

Keine Meldepflicht besteht für Personen, welche erst genannte Berufsgruppen personell unterstützen wie z.B. Sekretariatsmitarbeitende von Therapeutinnen oder Therapeuten, der Materialwart eines grösseren Fussballvereins, der regelmässig beruflichen Kontakt zu den Juniorinnen und Junioren des Vereins hat. Sie unterliegen nicht der Meldepflicht, haben jedoch ein Melderecht.

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