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Ein Gespräch mit den Eltern bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ist für die Beteiligten oft eine grosse Herausforderung. Wenn im Gespräch Privates oder Innerfamiliäres thematisiert wird und Eltern auf mögliche Defizite in ihrem Erziehungsverhalten angesprochen werden, können sie sich angegriffen fühlen. Das kann Abwehrreaktionen wie starke Emotionalität oder vollständige Kooperationsverweigerung auslösen.

Grundsätze

Eine gute Vorbereitung hilft, Unsicherheiten zu reduzieren und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Agieren Sie respektvoll, wertschätzend und verständnisvoll. Beraten Sie, beschuldigen Sie nicht.

Vorbereitung

Führen Sie das Gespräch nicht im Beisein Dritter oder Kinder. Sorgen Sie für eine angenehme Atmosphäre, indem Sie bspw. Getränke anbieten oder die Sitzwahl erfragen. Legen Sie einen Zeitrahmen fest (max. 1 Stunde). Informieren Sie Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte vorab über das Gespräch, für den Fall, dass es zu einer Eskalation kommt.

Grundprinzipien der Gesprächsführung

  • Drücken Sie sich sachlich, höflich und klar aus.
  • Benutzen Sie Ich-Botschaften. Beispiele: «Ich mache mir Sorgen um Ihr Kind, weil…», «Mir ist aufgefallen, dass…»
  • Stellen Sie offene Fragen: «Was denken Sie, warum…?»
  • Hören Sie aktiv zu. Halten Sie Blickkontakt. Fassen Sie Gefühle, Gedanken oder Wahrnehmungen in Worte zusammen oder formulieren Sie eine Aussage in anderen Worten, um sicherzugehen, dass Sie alles richtig verstanden haben.
  • Erkennen Sie Leistungen der Eltern an: «Was Ihnen gut gelingt, ist…»
  • Bieten Sie niederschwellige Hilfen an.

Folgende Leitfragen helfen bei der inhaltlichen Vorbereitung

  • Was ist meine Verantwortung?
  • Brauche ich zur Reflexion selbst ein Beratungsgespräch oder einen Fachaustausch?
  • Welches Ziel verfolge ich mit dem Gespräch und was spreche ich an?
  • Welche Informationen fehlen mir zur Familiensituation?
  • Welche Ressourcen hat die Familie?
  • Kenne ich geeignete Hilfsangebote?

Durchführung

Beginnen Sie mit einem verbindenden Gespräch (z.B. über das Wetter). Lassen Sie das Gegenüber ausreden, greifen Sie Gedanken auf und vermeiden Sie Bewertungen. Sichern Sie Vertraulichkeit zu.

Benennen Sie Sorgen und klären Sie die Sichtweisen:

  • Anlass benennen: «Ich bin in Sorge, weil ich beobachtet habe, dass…»
  • Sichtweise der Eltern einholen: «Wie sehen Sie das?»
  • Unterschiede herausarbeiten: «Habe ich Sie richtig verstanden, dass…?» oder «Ich sehe das anders…»

Formulieren Sie gemeinsame Ziele:

  • Gemeinsame Basis schaffen: «Sie wollen, dass es Ihrem Kind gut geht, das ist auch mein Anliegen.»
  • Problematisches Verhalten sachlich ansprechen: «Kinder können herausfordernd sein, und es ist wichtig, auf ihre Bedürfnisse einzugehen.»
  • Eltern ermutigen: «Was meinen Sie, könnte ein guter nächster Schritt sein?»

Erkunden Sie Ressourcen und Unterstützungsbedarf:

  • Fragen: «Was können Sie gut?», «Was hat Ihnen früher geholfen?»
  • Unterstützung anbieten: «Eine gute Anlaufstelle wäre…», «Ich könnte mir vorstellen, dass Ihnen… helfen kann.»

Sprechen Sie Emotionen an und versuchen Sie zu deeskalieren:

  • Gefühle benennen: «Sie ärgern sich über…», «Sie sind erschrocken über…»
  • Paraphrasieren: «Mit anderen Worten…», «Wenn ich Sie richtig verstehe, geht es Ihnen um…»
  • Geduld und Ruhe zeigen, auch in schwierigen Situationen: «Ich verstehe, dass Sie aufgebracht sind.»
  • Wenn das Gespräch sehr emotional wird, kann es auch abgebrochen werden: «Wir machen jetzt eine Pause und setzen das Gespräch später fort.»
  • Bei Schwierigkeiten: Verweisen Sie das Gegenüber höflich aus dem Raum oder holen Sie ggf. Unterstützung (z.B. Vorgesetzte, Notfalls die Polizei).

Schliessen Sie das Gespräch ab und geben Sie einen Ausblick:

  • Gespräch zusammenfassen: « Was haben wir jetzt genau verabredet?», «Was ist der nächste Schritt?»
  • Weiteren Austausch klären und ggf. nächsten Termin vereinbaren.

Nachbereitung

Die Dokumentation bildet die Grundlage für weitere Gespräche. Die Dokumentation der wesentlichen Gesprächsergebnisse ist wichtig, um Inhalte, Vereinbarungen und Entscheidungen nachvollziehbar festzuhalten. Treffen Sie mit den Eltern klare Vereinbarungen und halten Sie diese gegebenenfalls in einem Gesprächsprotokoll schriftlich fest. Insbesondere Vereinbarungen, nächsten Schritte und abweichenden Sichtweisen sollten Sie schriftlich notieren.

Hinterfragen Sie Ihre eigenen Einschätzungen stets selbstkritisch. Häufig wird ein einmal gefasster Ersteindruck über die Familie nicht mehr hinterfragt.

Lesen Sie mehr dazu in den zwei nachfolgenden Dokumenten: