Seit Juni 2017 bilden der Schweizerische Nationalpark, der regionale Naturpark Biosfera Val Müstair und Teile der Gemeinde Scuol zusammen ein UNESCO Biosphärenreservat. Kernzone des Reservats ist der Nationalpark; die übrigen Gebiete gehören zur Pflege- und Entwicklungszone.
Der Perimeter des UNESCO-Biosphärenreservats mit den einzelnen Zonen.
Was ist ein Biosphärenreservat?
Die UNESCO vergibt einer biogeografischen Region das Label «Biosphärenreservat», wenn diese repräsentative Ökosysteme oder Landschaften enthält, die für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität von grosser Wichtigkeit sind. Biosphärenreservate sind Modellregionen für das Zusammenleben von Mensch und Natur. Dementsprechend wird die Bevölkerung bei allen Aktivitäten zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung miteinbezogen.
Wer steht hinter dem Biosphärenreservat Engiadina Val Müstair?
Die Trägerschaft des UNESCO Biosphärenreservats Engiadina Val Müstair besteht aus
- dem Schweizerischen Nationalpark,
- dem regionalen Naturpark Val Müstair,
- der Gemeinde Scuol,
- der Gemeinde Val Müstair.
Die am Biosphärenreservat beteiligten Partner verfügen über eigene Managementpläne. Diese enthalten
- Projekte zur Stärkung der Natur- und Kulturwerte;
- Projekte zur nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung;
- Projekte zu Umweltbildung;
- Forschungsprojekte.
Strategisches Organ ist der sogenannte Biosphärenreservatsrat (Cussagl), welcher sich aus Vertreterinnen und Vertretern der beteiligten Organisationen zusammensetzt. Die Leitung der operativen Geschäfte für Gesamtprojekte und Projekte in den Gebieten ausserhalb von Nationalpark und regionalem Naturpark liegt bei der Geschäftsstelle, welche ihren Sitz in Scuol hat.
Die Gemeinden Val Müstair und Scuol, der Regionale Naturpark Biosfera Val Müstair sowie der Schweizerische Nationalpark sind im Rahmen eines Kooperationsvertrags für den Betrieb und die Weiterentwicklung des Biosphärenreservats verantwortlich. Dazu gehören die gemeinsamen Tätigkeiten, die entsprechend der drei Zonen des Reservats von den drei Partnern auf strategischer Ebene abgestimmt werden.
Der Kanton bildet die Scharnierstelle zwischen der Trägerschaft des UNESCO-Biosphärenreservats und dem Bund. Zudem unterstützt er das Reservat in seinen operativen Tätigkeiten mit Beiträgen an die Geschäftsstelle und an Projekte sowie mit Daten und Informationen.
Forschung im Biosphärenreservat
Im Schweizerischen Nationalpark ist die Forschung ein Kernthema; deshalb koordiniert er auch die Forschung im Biosphärenreservat. Beispiele von Forschungsprojekten:
- Langzeitmonitoring von genutzten und nicht genutzten Quell-Lebensräumen;
- Lebensweise und Verbreitung des Baumschläfers (Dryomys nitedula). Aufgrund der Forschungsergebnisse sollen in seinen Lebensräumen Aufwertungsmassnahmen durchgeführt werden;
- Untersuchung von möglichen Auswirkungen des Klimawandels oder der Nutzung auf die Verbreitung von Pflanzen in den Mähwiesen;
- Befragungen und Besucherzählungen im Bereich der Sozialwissenschaften.
Projekte in der Pflege- und Entwicklungszone
Für Projekte, die in der Pflege- und Entwicklungszone im Engadin oder übergreifend im gesamten Perimeter durchgeführt werden, ist die Geschäftsstelle des Biosphärenreservats zuständig. Projekte, die nur im Münstertal wirken, werden durch den Naturpark Biosfera Val Müstair umgesetzt.
Beispiele von Projekten im Val S-charl:
- Mit der Auflichtung von Wäldern im Übergang zu Trockenweiden wird die seltene Waldschnepfe gefördert.
- Das Bergbau-Museum «Schmelzra» wird auch als Infozentrum für das Biosphärenreservat eingerichtet.
- Bei der Alp Tamangur wurden Steingebäude saniert und die Trockenmauer-Einfriedung instand gestellt. Die Gebäude und deren Umgebung sollen für Umwelteinsätze und Umweltbildung genutzt werden.
Weiterentwicklung des Biosphärenreservats
Zur Stärkung des Biosphärenreservats wurde in den letzten Jahren eine Entwicklung angestossen mit der Absicht, die Pflege- und die Entwicklungszone auszudehnen und Gebiete in den Gemeinden Scuol und Valsot in den Perimeter aufzunehmen. Basis für die Erweiterung des UNESCO-Biosphärenreservats wäre die Erweiterung des regionalen Naturparks. 2018 heisst es dazu in einer Pressemitteilung: «Ein regional deckungsgleiches Gebiet von Regionalem Naturpark und UNESCO-Biosphärenreservat verspricht die strukturellen Grundlagen zu schaffen, um Projekte von lokaler und regionaler Bedeutung zugunsten der nachhaltigen Entwicklung und gesteigerten Wertschöpfung im Unterengadin ebenso wie in der Val Müstair zu lancieren.
Aus der Machbarkeitsstudie und dem Projektbericht geht hervor, dass die Gemeinden Scuol und Valsot die an einen Naturpark bzw. ein UNESCO-Biospärenreservat gestellten Kriterien zu einem hohen Mass erfüllen würden und dass eine Erweiterung des UNESCO-Biosphärenreservats in rechtlicher und raumplanerischer Sicht machbar wäre. Aufgrund verschiedener Gespräche mit lokalen Akteuren und deren zurückhaltender und teilweise kritischer Haltung kam der Lenkungsausschuss des Weiterentwicklungsprojektes zum Schluss, dass die politische Machbarkeit aktuell nicht gegeben ist bzw. nicht im vorgesehenen Zeitplan realisiert werden kann.
Die Vision einer gemeinsamen Weiterentwicklung von regionalem Naturpark, UNESCO-Biosphärenreservat und dem Schweizerischen Nationalpark als Kernzone bleibt jedoch bestehen (vgl. dazu Medienmitteilung im Juli 2022).