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Ausstellungsposter «Und die Frauen?» als PDF

Diese Webseite ist Bestandteil der Ausstellung «Graubünden und die Bundesverfassung» im Grossratsgebäude in Chur. Lehrreiche Visualisierungen erinnern daran, was die Einführung der Bundesverfassung für Graubünden bedeutete und wie sich der Bergkanton in den jungen Schweizer Bundesstaat integrierte. Die Ausstellung ist während der August-, Oktober- und Dezembersession 2023 des Grossen Rates jeweils von 8:30 bis 12:00 Uhr und von 14:30 bis 18:00 Uhr öffentlich zugänglich.

Die Gremien, welche die Bundesverfassung erarbeiteten, bestanden ausschliesslich aus Männern. Dennoch hätte man bei einigen Artikeln der Bundesverfassung eine Diskussion der Geschlechterfrage erwartet, oder wenigstens einzelne Bemerkungen dazu. Wo ist die männliche Form so zu verstehen, dass sie die Frauen einschliesst, wo ist sie exklusiv männlich gemeint? Welche Unterschiede sind allenfalls zu beachten? Es ist bemerkenswert, dass diese Fragen – Irrtum vorbehalten – in keinem der relevanten Gremien je diskutiert wurden, weder in der Revisionskommission, noch in der Tagsatzung (Versammlung der Gesandten der Kantone) noch im Bündner Grossen Rat. Dasselbe gilt für die Diskussionen in der Presse.

Beim Thema „Rechtsgleichheit“ (Artikel 4) wird vor allem erörtert, inwiefern sie auch den Juden gewährt werden solle (grundsätzlich ja). Bei den politischen Rechten (Art. 41 und 42) wird über die Rechte der Niedergelassenen, also der Schweizer aus anderen Kantonen sowie über die Rechte der eingebürgerten „Fremden“ bzw. Ausländer diskutiert (Ergebnis: Die Niedergelassenen haben auf Gemeindeebene kein Stimmrecht, und in kantonalen Angelegenheiten dürfen ihnen die Kantone eine Wartefrist von maximal 2 Jahren auferlegen, bis sie das Stimmrecht erhalten). Bei den Bestimmungen, welche die Wahl des Nationalrats regeln, ist vor allem umstritten, ob eine schweizweite einheitliche Altersgrenze festgelegt werden soll (Ergebnis: 20 Jahre, weil in diesem Alter auch die Wehrpflicht einsetzt). Zudem wird nach den Unruhen des Sonderbundskriegs Geistlichen der Einsitz in den Nationalrat verwehrt: Man muss „weltlichen Standes“ sein. Nur über die Frage, inwiefern Frauen und Männer rechtlich unterschiedlich zu behandeln seien, wird nie gesprochen.

Trotz dieses eigentlichen blinden Flecks der Verfassungsmacher ist festzuhalten, dass die Schweiz 1848 das demokratischste Land in weitem Umkreis ist, wenn man als „Demokratie- Index“ den Anteil der erwachsenen Bevölkerung nimmt, der politisch über ein substantielles Mitspracherecht verfügt (mit kantonalen Unterschieden: ca. 40%). Die Schweiz: eine stabile Republik umgeben von Monarchien.

Legenden

  1. Die Bewegung für das Frauenstimmrecht nimmt erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts Fahrt auf. Dann ist aber eine Bündner Aristokratin ganz vorne mit dabei: Meta von Salis (1855-1929, hier im Jahr 1899) fordert in einem Artikel mit dem Titel „Ketzerische Neujahrsgedanken,“ der 1887 in der Neujahrsausgabe der Züricher Post erscheint, nicht weniger als das volle Stimm- und Wahlrecht für die Frauen.
  2. Frauen sind nur symbolisch vertreten: Auf diesem Gedenkblatt zur Verabschiedung der Bundesverfassung am 12. September 1848 überreicht Helvetia ihrem ausschliesslich aus Männern bestehenden und zur Hälfte uniformierten Volk die Verfassung.
  3. Die Tagsatzung in Bern an der letzten Sitzung vor dem Sonderbundskrieg: ein Männerclub. Der Bündner Vertreter, Rageth Abys, sitzt rechts an der Ecke.
  4. Artikel 4 garantiert die Rechtsgleichheit und schafft Vorrechte des Ortes, der Geburt, der Familie und der Person ab. Um so auffälliger verbleiben die nicht explizit genannten geschlechtsspezifischen Vorrechte der Männer. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch Pflichten gibt, die nur die Männer betreffen: Die Bundesverfassung statuiert die allgemeine Wehrpflicht.