Graubünden beherbergt eine grosse Vielfalt an Lebensräumen. Fast 90 % der 225 Lebensraumtypen der Schweiz kommen auch in unserem Kanton vor. Viele davon sind im Vergleich zur übrigen Schweiz noch in einem ökologisch überdurchschnittlich guten Zustand. Bei den wassergebundenen Lebensräumen (Flüsse, Bäche, Seen, Auen, Moore und Kleingewässer) bestehen jedoch ebenfalls sehr grosse Defizite.
Was ist ein Biotop?
Als Biotope (griech. bios = Leben, topos = Ort) bezeichnet man in der Biologie bestimmte abgrenzbare Lebensräume. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob ein Lebensraum auf natürlichem Weg oder durch den Einfluss des Menschen entstanden ist.
In der Schweiz ist die Klassifikation der Lebensräume im Standardwerk Lebensräume der Schweiz festgelegt.
Für die Bezeichnung der national bedeutsamen Biotope hat das Bundesamt für Umwelt BAFU entsprechende Kartierungsschlüssel erstellt. Die Bezeichnung der regional und lokal bedeutsamen Biotope stützt sich auf die Grundlagen des Bundes.
Fakten zur Lebensraumvielfalt in Graubünden
- Graubünden ist ein Gebirgskanton: Fast 90% liegt über 1200 m ü. M.
- Die Hälfte des Kantonsgebiets liegt sogar über der Waldgrenze (diese beginnt je nach Region bei 1800 bis 2300 m ü. M.).
- Ausgedehnte Weiden bedecken etwa einen Viertel des Bündner Bodens.
- Fast ein Drittel der Fläche sind Wälder.
Der Kanton Graubünden hat national gesehen eine besondere Verantwortung für die Lebensräume der oberen Höhenstufen (z. B. Gesteinsfluren oder Gebirgs-Magerrasen), in denen hochspezialisierte Arten vorkommen.
Es ist angesichts der demographischen Entwicklung in den Berggemeinden eine grosse Herausforderung, die noch vorhandene, gute ökologische Qualität in den Bergzonen 3 und 4, im Sömmerungsgebiet, in der alpinen und nivalen Zone sowie im Wald zu erhalten.
Die ökologisch grössten Defizite bestehen bei den wassergebundenen Lebensräumen (Flüsse, Bäche, Seen, Auen, Moore, Kleingewässer). Im Spannungsfeld von Zielkonflikten und Klimawandel ist es bei den wassergebundenen Lebensräumen eine grosse Herausforderung, ausgewogene Lösungen für die grossen Defizite zu finden.
Biotopschutz gemäss Natur- und Heimatschutzgesetz
Dem Aussterben einheimischer Tier- und Pflanzenarten ist laut Artikel 18 Absatz 1 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz NHG durch die Erhaltung genügend grosser Lebensräume (Biotope) und andere geeignete Massnahmen entgegenzuwirken. Bei diesen Massnahmen ist schutzwürdigen land- und forstwirtschaftlichen Interessen Rechnung zu tragen.
Die Erreichung des Schutzziels wird in Graubünden über vier Vollzugsschienen angestrebt:
- vorsorglichen / planerischen Schutz (Vermeidung oder zumindest Verminderung von Beeinträchtigungen, Ersatz für unvermeidliche Eingriffe in Biotope) im Rahmen von Planungs-, Bewilligungs-, Konzessions- und Projektgenehmigungsverfahren;
- Förderung der angepassten Bewirtschaftung (Vertrags-Naturschutz);
- Förderung von Renaturierungen und Revitalisierungen (Beiträge);
- Biodiversitätsmonitoring und Wirkungskontrollen, Bereitstellung von Grundlagen.
- Vorsorglicher / planerischer Schutz
Mit dem Erhalt des Lebensraums einheimischer Arten befassen sich mehrere Bundesgesetze. Im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz NHG wird definiert, welche Lebensraumtypen besonders zu schützen sind:
- Uferbereiche
- Riedgebiete
- Moore
- seltene Waldgesellschaften
- Hecken
- Feldgehölze
- Trockenrasen
- weitere Standorte, die eine ausgleichende Funktion im Naturhaushalt erfüllen oder besonders günstige Voraussetzungen für Lebensgemeinschaften aufweisen.
In der Natur- und Heimatschutzverordnung werden die Kriterien aufgeführt, aufgrund derer Biotope als schützenswert bezeichnet werden.
Von Biotopschutz bis Zugvogelreservat: Wissenswertes zum Thema Lebensräume
Jagdbanngebiete, Wasser- und Zugvogelreservate, Smaragdgebiete und Waldreservate sind weitere Lebensräume, die einen besonderen Schutzstatus geniessen. Gemeinsames Ziel all dieser Grundlagen ist die Erhaltung der Vielfalt an Ökosystemen und deren Ökosystemleistungen sowie die Förderung von seltenen und bedrohten Arten.
NHG-Biotope sind nicht automatisch geschützt. Geschützt im engeren Sinn sind Biotope erst aufgrund besonderer Erlasse, sei es durch
- Schutzverordnungen (in Graubünden nicht gebräuchlich),
- raumplanerische Schutzzonen
- oder vertragliche Vereinbarungen mit Anmerkung im Grundbuch.
NHG-Biotope geniessen aufgrund der Bestimmungen im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz einen privilegierten Status.
Ein Eingriff in ein Biotop darf nur bewilligt werden, wenn der Eingriff unmittelbar standortgebunden ist und ein überwiegendes öffentliches Nutzungsinteresse besteht.
Für Bauvorhaben gilt bei Konflikten mit Objekten des Biotopschutzes (analog zur Umweltschutzgesetzgebung) das Vorsorgeprinzip: Vermeiden - Vermindern.
Das Verminderungsprinzip im NHG geht jedoch weiter als im restlichen Umweltbereich: Das Bundesrecht verlangt bei unvermeidlichen Eingriffen in schutzwürdige Biotope nicht nur die grösstmögliche Schonung oder Wiederherstellung, sondern auch angemessenen Ersatz, immer vorausgesetzt, die Standortgebundenheit für ein Vorhaben ist ausgewiesen und das Nutzungsinteresse wird von der Bewilligungsbehörde höher gewichtet als das Schutzinteresse (Artikel 14 Absatz 6 und 7 der Verordnung über den Natur- und Heimatschutz NHV).
Mehr Informationen finden Sie hier und hier.
- Förderung der angepassten Bewirtschaftung
Der rechtliche Schutz von Biotopen ist noch kein Garant für ihre Erhaltung. Die meisten Biotoptypen sind auf eine angepasste Bewirtschaftung angewiesen. Eigendynamisch funktionieren höchstens
- Auen in weitgehend unbeeinflussten Gewässerabschnitten;
- extreme Trockenstandorte;
- Hochmoore;
- Flachmoore (diese jedoch nur ausserhalb von waldfähigen Standorten).
Den grössten Teil der heute noch bestehenden Flachmoore machen «Kulturbiotope» aus, die sich auf gerodeten und nicht vollständig entwässerten Flächen entwickelt haben. Die wichtigsten Partner in der Biotoppflege sind denn auch die Landwirte und die Forstorgane.
Der Kanton unterhält ein breit abgestütztes, detailliertes Vertragssystem mit Landwirten und landwirtschaftlichen Trägerschaften im Sömmerungsgebiet sowie ein analoges System für Leistungserbringer, die nicht direktzahlungsberechtigt sind.
- Förderung von Renaturierungen und Revitalisierungen
Gemäss Schätzungen gingen in der Schweiz in den letzten rund hundert Jahren verloren:
- über 90 Prozent der Trockenstandorte;
- über 80% der Moore;
- über ein Drittel der Auen (als Folge der grossen Gewässerkorrektionen waren jedoch schon vor 1900 rund die Hälfte der Auen nicht mehr vorhanden).
Im Aktionsplan zur Strategie Biodiversität Schweiz SBS hat der Bund als Sofortmassnahmen unter anderem die Verbesserung der biologischen Qualität bestehender Schutzgebiete sowie die räumliche und funktionale Vernetzung zwischen schutzwürdigen Lebensräumen festgelegt. Wo nötig sollen zudem Schutzgebiete ergänzt oder Gebiete bestimmt werden, in denen Massnahmen zur spezifischen Förderung von Arten getroffen werden können.
Für die Finanzierung entsprechender Massnahmen stehen dem Kanton namhafte Bundesmittel sowie eigene Mittel zur Verfügung.
- Bereitstellung von Grundlagen, Biodiversitätsmonitoring und Wirkungskontrollen
Ein wichtiger Pfeiler des Biotopschutzes sind die Bundesinventare der Biotope von nationaler Bedeutung (Auen, Moore, Amphibienlaichgebiete, Moorlandschaften und Trockenwiesen) sowie das kantonale Biotopschutzinventar, welches die Objekte des Biotopschutzes von regionaler und lokaler Bedeutung bezeichnet.
In diesem Inventar sind zur Information auch die Objekte aus den Bundesinventaren abgebildet.
- Finanzierung des Biotopschutzes
Biotopschutz ist eine eine Verbundaufgabe; einerseits zwischen Bund, Kanton, Gemeinden und Privaten, andererseits zwischen verschiedenen Sektoralpolitiken, insbesondere Landwirtschafts- und Waldpolitik. Dementsprechend erfolgt die Finanzierung des Biotopschutzes auch über verschiedene «Kassen». Im Landwirtschaftsland erfolgen die Abgeltungen für Leistungen zugunsten der Biodiversität über das Direktzahlungssystem des Bundes.
Für nicht-direktzahlungsberechtigte Leistungserbringer werden Massnahmen über das Kantonale Natur- und Heimatschutzgesetz finanziert. Alle anderen Leistungen im Bereich Naturschutz (im weiteren Sinn) werden im Rahmen von Programmvereinbarungen mit dem Bundesamt für Umwelt BAFU umfangmässig festgelegt.
Die Finanzierung der vereinbarten Leistungen erfolgt mit Kantons-, Bundes- und Kantonsbeiträgen. Mehr dazu finden Sie hier.